Legendäre Deutsche Grammophon LPs neu aufgelegt

Die Skythische Suite eröffnet mit einer kraftvollen, beinahe stürmischen Intensität, bei der die volle Wucht des Chicago Symphony Orchestra sofort zum Tragen kommt. Doch gerade in den nachfolgenden ruhigen Passagen des Allegro Feroce entfalten sich die besonderen Momente dieser Aufnahme. Wenn die betörenden Flötenlinien erklingen und die Streicher sanft hinzutreten, entstehen magische Augenblicke, die die außergewöhnliche Klangqualität dieser Einspielung deutlich machen.

Gleichwohl bietet die dramatische Dynamik in den späteren Sätzen das perfekte Material für Hifi-Demonstrationen, die Zuhörer beeindrucken sollen. Hoffentlich wird diese LP jedoch nicht nur als Vorführplatte genutzt, denn sie bietet musikbegeisterten Hörern vor allem ein außergewöhnliches, künstlerisches Erlebnis!

Die Komposition "Ala und Lolli" von Sergei Prokofjew, 1915 als viersätzige Orchestersuite vollendet, basiert auf einem altslawischen Märchen und war ursprünglich als Ballett gedacht. Da dieses Werk zu den weniger zugänglichen Schöpfungen des russischen Komponisten zählt, ist es nur selten zu hören. Umso faszinierender ist es, diesen musikalischen Schatz im Vergleich mit dem volkstümlicheren "Lieutenant Kijé" zu erleben. Schon allein die teils bizarren Rhythmen und wilden Passagen verleihen der Suite einen hohen Erlebnisfaktor. Das mythische Geschehen um Veles, den Sonnengott, den Helden Lolli und Ala, die Frühlingsgöttin, wird in den vier Sätzen spannend und facettenreich dargestellt. Claudio Abbado führt das Chicago Symphony Orchestra hier zu einer wahrhaft beeindruckenden Darbietung.

Die Symphonische Suite "Leutnant Kishe" (frz.: Lieutenant Kijé) ist hingegen äußerst populär und bedarf keiner langen Einführung. Viel lohnender ist ein Blick auf Claudio Abbados Interpretation: Die Aufführung ist fesselnd inszeniert, und besonders die perfekt ausbalancierten Bläser sowie die Instrumentaldarbietungen in den ruhigeren Momenten sind ein wahres Hörvergnügen. Auch audiophil lässt diese Aufnahme keine Wünsche offen – die Dynamik ist geradezu überwältigend. Dennoch bleibt für mich der Höhepunkt dieses Werkes die Art und Weise, wie die berühmten Melodien in einem wunderbaren, geschmeidigen Fluss präsentiert werden.

Einfach grandios!

• Chicago Symphony Orchestra

• Claudio Abbado - Dirigent

Die Aufnahmen von Maurizio Pollinis Interpretation der Polonaisen, eingespielt im November 1975 im Saal des Wiener Musikvereins, gehören zweifellos zu den exemplarischen Meilensteinen der Klaviermusik. Die Brillanz des italienischen Starpianisten ist unbestritten, doch gerade in dieser inspirierten Darbietung kommt sie besonders eindrucksvoll zur Geltung. Mit kraftvollem Anschlag, wann immer es erforderlich ist und einem poetischen Feingefühl, das den Werken Chopins gerecht wird, entfaltet sich Pollinis Genie in dieser herausragenden DG-Aufnahme auf bemerkenswerte Weise. Selbst für jemanden wie mich, der sich nur selten von Solo-Klavieraufnahmen begeistern lässt, üben diese vier Schallplattenseiten eine außergewöhnliche Faszination aus.

Die ursprüngliche Veröffentlichung der DG-Polonaisen im Jahr 1976 erschien als Einzel-LP, basierend auf einem Stereo-Downmix der zweiten Generation. Heute haben Rainer Maillard und Sidney C. Meyer eine Neuauflage als Doppel-LP produziert, um die klanglichen Vorzüge noch besser zur Geltung zu bringen. Die Lackfolien wurden für 45 Umdrehungen pro Minute geschnitten, wodurch die Stücke optimal verteilt werden konnten. Das Remastering der originalen 4-Spur-Bänder hebt den vollen Klang und die Dynamik des Klaviers hervor - definitiv ein Genuss.

Eine interessante Randnotiz findet sich im Inneren des Klappcovers: Beim ersten Abhören der Aufnahme war Pollini "völlig unzufrieden" mit dem Ergebnis, sodass das Band neu geschnitten werden musste. Erst am 6. August 1976 gab er nach weiteren Anpassungen seine Zustimmung zur Veröffentlichung.

• Maurizio Pollini - Piano

"Das Quartett auf das Ende der Zeit" – ein Titel, der allein schon tief berührt und eine tragische Schwere trägt. Die Entstehungsgeschichte dieser Komposition ist ebenso bemerkenswert wie bewegend: Olivier Messiaen schrieb sein "Quatuor pour la fin du Temps" während seiner Kriegsgefangenschaft in den Jahren 1940/41 im Lager Stalag VIII-A in Görlitz.

Der Wahnsinn des Krieges inspirierte in Messiaen offenbar apokalyptische Visionen. Das Werk, bestehend aus acht Sätzen, basiert thematisch auf der Offenbarung des Johannes aus dem Neuen Testament. Musikalisch beeindruckt es durch seine einzigartige Struktur: Nur in vier Sätzen musizieren alle Instrumente gemeinsam, während die übrigen Stücke als Soli, Duette oder Trios vorgetragen werden.

Die Aufnahme, die übrigens unter der Aufsicht von Messiaen persönlich entstand und von ihm autorisiert wurde, besticht durch eine außergewöhnliche emotionale Intensität. Das Ensemble um den renommierten argentinisch-israelischen Pianisten und Dirigenten Daniel Barenboim liefert eine Darbietung, die dramatisch, melancholisch, bezaubernd und zugleich tieftraurig ist. Jeder Satz zeigt dabei seinen eigenen, unverwechselbaren Charakter. Besonders eindrucksvoll ist die Klarinette im Stück "Abîme des oiseaux", die mit ihrer bildhaften Klangsprache eine Szene heraufbeschwört: Vögel, die über dem Abgrund der Zeit kreisen, bevor der Engel der Apokalypse erscheint. Genau in solchen Momenten wird die Qualität dieser Interpretation überdeutlich. Und schließlich erreicht das Werk seinen Höhepunkt im finalen Satz, "Louange à l’Immortalité de Jésus", in dem die Geige mit einem beinahe überirdischen Klang erstrahlt – ein wahrhaftiger Gänsehaut-Moment, der allein schon den Kauf dieser Aufnahme rechtfertigt!

Auch klanglich überzeugt die Aufnahme auf ganzer Linie: Ein außergewöhnlicher Transfer von den originalen 8-Spur-Bändern auf Stereo, durchgeführt in den renommierten Emil Berliner Studios, garantiert eine exzellente Tonqualität.

• Luben Yordanoff - Violin

• Albert Tetard - Violincello

• Claude Desurmont - Klarinette

• Daniel Barenboim - Piano

Gustav Mahlers "Auferstehung"-Sinfonie ist ein weiteres Meisterwerk in Claudio Abbados beeindruckender Diskografie. Wieder einmal führte er das renommierte Chicago Symphony Orchestra zu einem mitreißenden Rausch voller Dramatik und Emotionen. Die herausragende Akustik des Medinah Temple in Chicago, wo diese Aufnahme im Februar 1976 entstand, ermöglichte es, die immense Dynamik dieses monumentalen Werkes in ihrer ganzen Pracht festzuhalten.

Die Zweite Sinfonie zählt zu Mahlers populärsten Werken und beeindruckt bis heute durch ihre außergewöhnliche Dimension. Mir fiel zugleich auf, dass im ersten Satz - der sogenannten Totenfeier - der Pegel der mitunter lyrischen Momente zunächst recht gering erschien, bis mir im weiteren Verlauf klar wurde, welchen Grund dies hat: mit marschähnlichen Passagen und dissonanten Akkorden baut sich das Thema immer wieder in wuchtige Orchestertutti auf, deren Lautstärke enorm ist. Tonmeister Heinz Wildhagen und sein Team musste hier zweifellos seine ganze Erfahrung einsetzen, um da eine gute Balance zu finden.

Dieses komplexe und mitunter herausfordernde Werk Mahlers ist eine Fundgrube überraschender Wendungen, voller kraftvoller und monumentalen Teilen, verspielter und zugleich sanfter Melodien. Für diese Neuauflage wurde das ursprüngliche 4-Spur-Material sorgfältig neu abgemischt und geschnitten – mit dem Ergebnis einer beeindruckenden Darbietung.

• Chicago Symphony Orchestra

• Claudio Abbado - Dirigent

• Chicago Symphony Chorus

• Marilyn Horne - Mezzosopran

• Carol Nebelt - Sopran