Meine Plattensammlung hat zwei faszinierende Neuzugänge aus Portugal erhalten, die unterschiedlicher kaum sein könnten und doch gleichermaßen faszinieren: Zum einen die Wiederauflage der 1983 erstmals erschienenen Schallplatte "Como Se Fora Seu Filho" des großartigen Liedermachers José Afonso. Zum anderen die brandneue LP "Trovoada" der beeindruckenden Formation O GAJO. Beide Werke haben mich restlos begeistert!

Zwei exzellente Schallplatten mit Musik aus Portugal
Trackliste
Seite 1
1. Baile de Búfalos
2. Pedra sobre Pedra
3. Filhos do Vendaval
4. Flores Silvestres
5. Marabunta
6. Piratas do Tietê
Seite 2
7. Mar de Gente
8. Povo da Fenda
9. Barca do inferno
10. Carregando a Cruz
11. Velho Tocador
José Afonso - Como Se Fora Seu Filho (LP, 190g Vinyl)
Welche Songwriter und Liedermacher werden in einigen Jahren wohl über die aktuellen Ereignisse in den USA singen? Eine Zeit, in der die Nationalgarde auf Anordnung der Regierung gegen demokratisch legitimierte Proteste vorgeht. Es ist beklemmend, zu beobachten, wie sich solche tragischen Kapitel der Geschichte wiederholen und wie wenig die Menschheit daraus zu lernen scheint. Eine ähnliche Episode schildert die LP "Como Se Fora Seu Filho" des großartigen portugiesischen Sängers und Komponisten José Afonso, die von einem Ereignis erzählt, das Portugal Mitte der 1970er Jahre für immer verändern sollte.
José Manuel Cerqueira Afonso dos Santos, besser bekannt als "Zeca", gilt unumstritten als einer der bedeutendsten Musiker Portugals. Sein Lied "Grândola, Vila Morena" wurde am 25. April 1974 zum geheimen Signal für den Beginn der Nelkenrevolution – ein Moment, der Portugals Weg in die Demokratie ebnete und Geschichte schrieb. Ein Denkmal in Grândola erinnert noch heute an diesen bedeutsamen Song: Auf einer großen Wand sind die Zeilen des Liedtextes verewigt, als Mahnmal für Freiheit und Veränderung.
Auf der nun wiederveröffentlichten LP "Como Se Fora Seu Filho" ist "Grândola, Vila Morena" zwar nicht enthalten, doch dafür finden sich andere besondere Stücke, wie das eindringliche "Papuça", ein Gedicht über den 25. April. Afonso’s einzigartiger Gesangsstil und die musikalische Umsetzung erinnern an italienische Cantautori wie Angelo Branduardi. Seine kulturelle Bedeutung für Portugal könnte man mit der von Pete Seeger oder Bob Dylan für die USA oder John Lennon und Paul McCartney für England vergleichen. Seine poetische Sprache überschreitet musikalische Grenzen und wirkt universell.
Mit seiner einfühlsamen Stimme, begleitet von akustischen Instrumenten wie Gitarre, Saxofon, Flöte, Violine, Klavier und Percussion, singt er sowohl über die Vergangenheit ("Eu Dizia") als auch über Visionen einer besseren Zukunft ("Utopia"). Stilistisch bewegt er sich – unterstützt von seinen musikalischen Wegbegleitern Fausto Bordalo Dias, José Mário Branco und Júlio Pereira sowie einigen weiteren Musikern – auf Folk-inspirierten Pfaden. Dabei lässt er immer wieder Einflüsse aus Jazz und Latin einfließen. Einige Stücke sind minimalistisch instrumentiert, während andere durch opulente Arrangements, Chorgesang und sogar elektronische Elemente bestechen.
Tragischerweise war dies seine letzte Aufnahme mit Gesang, bevor José Afonso 1987 viel zu früh an den Folgen einer Nervenkrankheit verstarb. Was würde er wohl über die Welt von heute sagen? Würde er verzweifeln, oder würde er ein liebevolles Gedicht schreiben, das die unsterbliche Hoffnung in Musik kleidet?
Ein abschließendes Wort zur Vinyl-Ausgabe: Die Pressung ist makellos und auf hochwertigem 190g-Vinyl gefertigt. Das Remastering, durchgeführt vom Hamburger Soundgarden Studio, ist hervorragend gelungen. Das Ergebnis ist eine Schallplatte, die nicht nur exzellent klingt, sondern auch der Bedeutung und Tiefe von Afonso’s Werk gerecht wird.
Fakten
• Veröffentlichung Reissue: 20. Juni 2025 (Original: 1983)
• Label: Mais Cinco
• Katalog-Nummer: LM5088LP
• Pressung: optimal media
• Pressqualität*: 4-5
• Inhalt: 190g Vinyl
• Besonderheit: Klappcover
• Aufnahmen: November 1982 - April 1983
• Genre: Liedermacher, Folk, World, Portugal
Besetzung
• José Afonso - Guitar, Vocals
• Fausto Bordalo Dias - Acoustic & Electric Guitar, Backing Vocals
• José Mário Branco - Piano, Vietnamese Flute, Recorder, Percussion
• Sérgio Mestre - Acoustic Guitar, Flute
• Pedro Caldeira Cabral - Portuguese Guitar
• Edgar Caramelo - Alto Saxophone, Flute
• Rui Cardoso - Tenor, Alto & Soprano Saxophone, Bass Clarinet
• Júlio Pereira - Acoustic & Electric Guitar, Bass, Synthesizer, Reco-reco, Percussion
• Carlos Zíngaro - Violin
• Pedro Casaes - Double Bass
• Pedro Wallenstein - Double Bass
• Rui Júnior Pintinhas - Percussion, Congas, Caixa
• Janita Salomé - Synthesizer, Vocals, Backing Vocals
• Maria Do Amparo / Francisco Fanhais - Chorus
Trackliste
Seite 1
1. Papuça 4:04
2. Utopia 2:26
3. A Nau de António Faria 5:08
4. Canção da paciência 3:56
5. O País vai de carrinho 5:25
Seite 2
6. O canarinho 7:09
7. Eu dizia 3:16
8. Canção do medo 2:24
9. Verdade e mentira 3:06
10. Altos altentes 1:43
O GAJO - Trovoada (LP, 180g Vinyl)
Wenn man bedenkt, dass João Morais ursprünglich aus der Rock- und Punk-Szene stammt, überrascht sein 2016 ins Leben gerufenes Projekt O GAJO umso mehr. Morais ist ein Musiker, der sich auf die Suche nach seinen kulturellen Wurzeln gemacht hat. Dabei weist ihm die Viola Campaniça – ein traditionelles Instrument mit jahrhundertealter Geschichte in der portugiesischen Musik und Kultur – den Weg.
Obwohl auf "Trovoada" Einflüsse traditioneller portugiesischer Musiklegenden wie Zeca Afonso und José Mário Branco spürbar sind, bietet das Album ein faszinierendes und vielseitiges Klangbild. Es ist ein Kaleidoskop des portugiesischen Folk, der sowohl verschiedene Regionen als auch historische Epochen umspannt. Maurische und orientalische Klänge mischen sich in diese musikalische Reise, während die Band mit einer reizvollen Instrumentierung aufwartet. Von Bouzouki, Percussion und Bass über Akkordeon, Cavaquinho, Flöte und Dudelsack bis hin zur traditionellen Adufe – O GAJO verkörpert kreativen Pioniergeist.
Das Einführen von Gesang ist für Morais eine neue, aber spannende Erweiterung seines bisherigen künstlerischen Schaffens. Der energiegeladene Auftakt "Baile de Búfalos" lädt mit seinem packenden Rhythmus direkt zum Tanzen ein – hier bleibt der Gesang mit einem schlichten „Hey hey, woh woh“ zunächst minimalistisch. Im nachfolgenden "Pedra sobre Pedra" entwickelt sich dies weiter, mit einem ausdrucksstarken Chorus, der den pulsierenden Rhythmus der ersten Nummer aufgreift. Kein Wunder, dass O GAJO bei zahlreichen Festivals in Europa für ausgelassene Stimmung und Begeisterung sorgt. Besonders berührend ist die Ballade "Flores Silvestres", in der João Morais auch solo singt, bevor sich weitere Stimmen und ein Chor harmonisch einfügen – eine wirklich beeindruckende Komposition.
"Mar de Gente" mit seinen kraftvollen Trommeln könnte mühelos die Kulisse eines mittelalterlichen Fests beleben. Hier kommen die außergewöhnlichen Instrumente der Band besonders zur Geltung – ebenso wie bei den ruhigeren Stücken auf der zweiten LP-Seite.
Hervorzuheben ist zudem die exzellente Klangqualität der Aufnahme, die den akustischen Instrumenten Raum gibt, um in ihrer ganzen Schönheit zu erstrahlen.
Fakten
• Veröffentlichung: 27. Juni 2025
• Label: Lusitanian
• Katalog-Nummer: LUS050
• Pressung: optimal media
• Pressqualität*: 4
• Inhalt: 180g Vinyl
• Besonderheit: Innenhülle mit Songtexten
• Aufnahmen:
• Genre: Folk, World, Portugal
Besetzung
• João Morais (O Gajo) - Viola Campaniça, Bouzouki, vocals
• Isaac Achega - Percussion
• Francesco Valente - Bass
• João Martins - Sanfona, Cavaquinho, Flute, Choir
• Diana Ferreira - Adufe, Bagpipes, Choir
* Pressqualität 1-5:
1= starke Nebengeräusche, deutlich sichtbare Pressfehler
5= keinerlei Nebengeräusche, optisch perfekt
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