Supersense - die besten Schallplatten der Welt?

Ein Foto von Sonny Rollins und Bandarole  der Archival Tape Edition No. 17 von Supersense

Man muss schon ein bisschen verrückt sein, um so viel Geld für eine einzige Schallplatte auszugeben – vor allem, wenn man sie mit etwas Glück im Second-Hand-Laden für ein paar Euro finden könnte. Es sei denn, man ist ein echter Vinyl-Fan. Dann treten Vernunft und Emotionen gerne mal in einen Rollentausch, und die Prioritäten verschieben sich. Doch Moment mal – bei meiner jüngsten Anschaffung handelt es sich nicht einfach um irgendeine Vinylplatte. Diese Scheibe ist etwas ganz Besonderes und von der Generation her ganz vorne. Mehr dazu erfährst du im Bericht!

Supersense Mastercut - das Maß für Analog-Fans?

Supersense Manufaktur

Für wahre Analog-Enthusiasten gilt ein Masterband oder eine Kopie davon oft als das ultimative Klangerlebnis. Wer das Glück hat, solche Tonbänder auf einer hochwertigen Bandmaschine abzuspielen, weiß: eine LP reicht qualitativ an dieses Niveau nicht heran. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Es gibt einen faszinierenden Zwischenschritt, den man kennen sollte – und dafür lohnt es sich, die grundlegenden Prozesse der Schallplattenproduktion etwas näher zu betrachten.

 

Am Anfang jeder Vinyl-Produktion steht die Aufnahme, sei es digital oder analog auf Tonband. Diese Originalaufnahme wird anschließend gemixt und gemastert, woraus wiederum ein Tape oder eine Datei entsteht. Im nächsten Schritt erfolgt der sogenannte Folienschnitt, der anschließend an das Presswerk weitergeleitet wird. Hier wird durch Galvanisierung – meist in drei Schritten – die Pressmatrize erstellt, aus der schließlich die Vinyl-Schallplatten gepresst werden.

 

Seit 2014 gibt es jedoch eine Firma in Wien, die diesen Produktionsprozess auf radikale Weise verkürzt hat – mit einer Innovation, die Vinyl-Fans staunen lässt. Die Firma Supersense produziert etwas, das gar kein Vinyl im klassischen Format ist: es ahndelt sich um Folienschnitte auf Acetatplatte, auch Lackfolien (englisch: lacquer cuts) genannt, die direkt von den Masterbändern geschnitten werden und für Endkunden käuflich sind! Der allererste Schnitt wurde im November 2021 realisiert.

 

Ein solcher Folienschnitt basiert auf einem Rohling, der in Japan bei MDC gefertigt wird. Dabei handelt es sich um eine Metallscheibe, die beidseitig mit Acetat-Lack beschichtet ist. Im Studio von Supersense wird die Musik eines analogen Tonbandes direkt und ohne weitere Bearbeitung auf diese Folie geschnitten. Dieses einzigartige Stück analoger Handwerkskunst, das normalerweise den Presswerken vorbehalten ist, wird nun in der sogenannten Mastercut Edition zum Kauf angeboten. Es ist weder eine herkömmliche Pressung noch eine Vinyl-Schallplatte, sondern ein echtes Meisterwerk – der oben erwähnte Zwischenschritt zwischen Tonband und Vinyl-LP. Für Musikliebhaber ist es ein unvergleichliches Erlebnis, diesen Produktionsschritt hautnah zu erleben. Mehr dazu später in der ausführlichen Review.

Wenn man das Gesamtschaffen der Wiener Firma betrachtet, entsteht unweigerlich der Eindruck, dass hier ebenso leidenschaftliche wie detailverliebte Musikliebhaber am Werk sind. Das spiegelt sich auch im umfangreichen Set der Mastercut Edition wider, das Kunden erhalten. Neben der eigentlichen Acetat-Platte wird ein unglaublicher Aufwand betrieben, um ein ästhetisches und historisch inspiriertes Gesamtpaket zu schaffen. Mit traditionellen Drucktechniken, die an Johannes Gutenbergs erste Drucke mit Metalllettern erinnern, wird jedes Element des Sets in echter Handarbeit gefertigt. Auf der Webseite von Supersense sind die einzelnen Produktionsschritte anschaulich dokumentiert und mit beeindruckenden Fotos illustriert.

Für die Gestaltung werden ausschließlich hochwertige Naturpapiere aus europäischen Papierfabriken verwendet. Vom stabilen Kartonschuber im Linotype-Druck über die sorgfältig in Pergamin-Umschlägen verpackten Fotos und Infoblätter bis hin zur Risographie – jedes Detail wird mit Vintage-Drucktechnologien umgesetzt. Selbst nostalgische Geräte wie ein alter Minolta EP415Z und eine Polaroid-Kamera kommen zum Einsatz. Die Seriennummer und das Datum des Folienschnitts werden handschriftlich notiert. Auf dem Umschlag, der die Platte und die Beilagen enthält, wird zudem ein Foto des Original-Tonbandes gedruckt, das für den Plattentitel verwendet wurde – eine originelle und persönliche Note!

Damit die empfindliche Oberfläche der Platte nicht durch Fingerabdrücke beschädigt wird, liegt dem Set sogar ein Paar Baumwollhandschuhe bei – ein dringend empfohlenes Accessoire! Zusätzliche Hinweise und Tipps zum Umgang mit dem Mastercut-Set finden sich entweder auf einem beigelegten Infoblatt oder in den FAQ-Bereichen der Supersense-Webseite.

 

Eine besonders humorvolle Antwort bietet Supersense auf die Frage, ob man für diese Schallplatten einen speziellen Plattenspieler benötigt: "Wir empfehlen, eine Mastercut nicht mit Plattenspielern abzuspielen, die weniger kosten als unsere geliebte Schallplatte!"

 

Abschließend hätte ich noch einen Wunsch an die kreativen Köpfe von Supersense: Bitte stellt die vielen beiliegenden Informationen auch auf Deutsch zur Verfügung! Nicht jeder beherrscht fließend Englisch und gerade die Hinweise zum Umgang mit der Platte sind doch äußerst wichtig.


Review: Sonny Rollins - On Impulse! (Lackschnitt Schallplatte)



Trackliste


Seite 1

1. On Green Dolphin Street  7:10
2. Everything Happens To Me  11:14

 

Seite 2

3. Hold 'Em Joe  5:30
4. Blue Room  3:44
5. Three Little Words  6:56


Das hat etwas Magisches! Ich habe in meinem Leben schon viele außergewöhnlich gute Aufnahmen gehört, von denen zahlreiche in meinem Plattenschrank stehen. Doch keine davon ist vergleichbar mit dem, was diese Mastercut-Platte dem Hörer bietet. Viele meiner LPs zeichnen sich durch eine beeindruckende Laufruhe und einen natürlichen, realistischen Klang aus. Ich dachte lange, dass dieser nur durch ein Livekonzert übertroffen werden kann – bis ich diesen Folienschnitt von Sonny Rollins' "On Impulse!" aufgelegt habe. Er öffnet die Tür zu einer völlig neuen Dimension.

 

Allein schon das Auspacken der Platte aus dem liebevoll gestalteten Set und das vorsichtige Auflegen mit Handschuhen ist ein Erlebnis für sich. Sobald die Nadel sanft in die Einlaufrille eintaucht, begleitet von praktisch nicht wahrnehmbarem Laufgeräusch, beginnt etwas, das mit Worten kaum zu fassen ist. Man muss es selbst erleben, um es wirklich zu begreifen.

 

Ich will dennoch versuchen, die Eindrücke zu beschreiben. Ein zentrales Merkmal ist die unglaubliche Körperhaftigkeit der Instrumente. Sie wirkt weit über das hinaus, was selbst erstklassige LPs bieten. Mit einer hochwertigen Hi-Fi-Anlage und optimal eingestelltem Tonabnehmer fühlt es sich an, als würden die vier Instrumente – Tenorsaxofon, Klavier, Bass und Schlagzeug – physisch im Raum stehen. Der Eindruck ist so realistisch, dass der Schritt zu einer Live-Darbietung in einem Jazzclub sehr kurz ist.

 

Ebenso beeindruckend ist die realistische räumliche Abbildung. Doch es gibt noch einen weiteren faszinierenden Aspekt, den ich als die "innere Spannung zwischen den Instrumenten" bezeichnen möchte. Bei einem Livekonzert sieht man, wie die Musiker mit ihren Instrumenten interagieren – ein Detail, das bei Schallplattenwiedergaben natürlich verloren geht. Doch bei diesem Folienschnitt entsteht die Illusion, als könnte man die Bewegungen der Musiker förmlich "sehen". Besonders spürbar wird das bei der Ballade "Everything Happens To Me". Hier rückt der Bass immer wieder in den Fokus, während das Saxofon von Rollins mal sanft angeblasen wird und dann mit eindrucksvoller Dynamik zurückkehrt. Es ist eine Hinwendung an die Musik, die erst mit dieser Platte eine tiefer Bedeutung findet.

 

Zur musikalischen Seite von "Sonny Rollins – On Impulse!": Die Musikgeschichte hat bereits ausführlich über dieses Meisterwerk berichtet. Gemeinsam mit Ray Bryant am Klavier, Walter Booker am Bass und Mickey Roker am Schlagzeug interpretiert Rollins vier Standards ("On Green Dolphin Street", "Everything Happens To Me", "Blue Room" und "Three Little Words") sowie eine mitreißende Calypso-Variante von "Hold 'Em Joe", die viele Musikliebhaber von Harry Belafonte kennen dürften. Die Aufnahmen stammen aus dem Jahr 1965 und wurden vom legendären Toningenieur Rudy Van Gelder realisiert, der unter anderem für Impulse! Records, Blue Note Records und Prestige Records arbeitete.

 

Wenn eine solch brillante musikalische Darbietung auf eine klanglich so makellose Wiedergabe trifft, schwinden alle Zweifel daran, ob die Investition gerechtfertigt war. Stattdessen entsteht der unbändige Wunsch, weitere Plattentitel von Mastercut Records zu entdecken...


Fakten


• Veröffentlichung: 1. August 2025, Erstveröffentlichung Vinyl: August 1965 (AS-91)

• Label: Impulse! Records / Mastercut Edition

• Katalog-Nummer: Archival Tape Edition No. 17

• Lackschnitt: Supersense, Wien

• Inhalt: Lackschnitt auf Metallscheibe, mit Schraube auf gesichert, Handschuhe, diverse Beigaben

• Besonderheit: Schuber und Klapphülle in Verwendung analoger Drucktechniken, auf 999 Exemplare limitiert

• Aufnahmen: 8. Juli 1965 im Van Gelder Studio, Englewood Cliffs, NJ

• Genre: Jazz, Hardbop

Besetzung


• Sonny Rollins - tenor saxophone

• Ray Bryant - piano

• Walter Booker - bass

• Mickey Roker - drums


* Pressqualität 1-5:
1= starke Nebengeräusche, deutlich sichtbare Pressfehler
5= keinerlei Nebengeräusche, optisch perfekt



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