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Zwei junge Künstler im Interview: The Day

Sie sind noch am Anfang ihrer Karriere, musikalisch aber bereits erstaunlich weit fortgeschritten: Laura Loeters und Gregor Sonnenberg. Das Duo The Day zeigt auf ihrer LP „Midnight Parade“, dass Popmusik heute durchaus gehobenes Niveau haben kann. Um so interessanter ist es, von Ihnen einige persönliche Informationen zu bekommen - hier das Interview mit den beiden bei Vinyl-Fan.de.

 

Interview mit Laura Loeters und Gregor Sonnenberg von The Day

 

Eure LP trägt erstaunlich reife Züge für ein Debüt. Wie lange habt ihr daran denn gearbeitet?

Laura: Dankeschön. Ja, wir haben tatsächlich sehr lang daran gearbeitet, über drei Jahre. Wir haben die Zeit aber natürlich nicht komplett im Studio verbracht, sondern auch viel live gespielt und haben die Songs dadurch auch immer weiter entwickelt.

Gregor: Und die Songs dann so aufzunehmen, zu arrangieren und alle Elemente so zu kombinieren, dass sie auch „auf Platte“ funktionieren, ist ein Prozess, der uns einfach viel Zeit kostet, da wir alles bis auf das Mastering ganz alleine gemacht haben, zunächst in meiner Wohnung in Dortmund und später dann in unserem winzigen Studio in Hamburg- Altona. Aber einfach weil es dann so viele Schrauben gibt, an denen man dann drehen kann - auch über das bloß „technische“ hinaus - hat es wirklich gedauert bis wir fertig waren.

Entstanden die Songs in gemeinschaftlicher Komposition oder gab es da eine Arbeitsteilung?

Laura: Unsere klassische Arbeitsteilung funktioniert eigentlich so, dass ich diejenige bin, die sich mit dem weißen Blatt Papier rumschlägt. Und die meisten Songs sind dann so entstanden, dass ich mit dem Handy eine Songidee aufnehme, in der schon sehr weite Teile der Melodie und des Textes fertig sind und ich die aber nur minimal auf zwei Saiten mit der Gitarre begleite. Diese schicke ich dann an Gregor, im besten Fall ist er dann begeistert, steuert eigene Ideen bei und entwirft diese „Klangwelt“ in der der Song dann stattfindet. Beim Song „We Killed Our Hearts“ war es aber zum Beispiel so, dass Gregor mit der ersten Idee kam und ich aber noch Textfragmente hatte und wir dann gemeinsam weitergeschrieben haben, also eine wirklich klassische Arbeitsteilung haben wir nicht.

Gregor: Und wir haben gemerkt, dass es der Sache auch gut tut, wenn jeder für sich allein an den Songs arbeitet - so in Einsamkeit - und erst dann wieder rausgeht um den Anderen davon zu überzeugen. Das Beste daran in der Band nur zu zweit zu sein ist, dass man immer bloß den jeweils Anderen für seine Idee gewinnen muss. Das macht dann einen gemeinsamen kreativen Prozess schön übersichtlich, aber auch aufregend natürlich: „was wird Laura hierzu sagen?“

Es sind jede Menge musikalische Zitate aus alten Zeiten zu hören. Welches sind eure Vorbilder? Aus welcher musikalischen Ecke kommt ihr jeweils?

Laura: Also wirkliche Vorbilder haben wir nicht. Es wäre für uns aber sehr interessant, welche musikalischen Zitate Du dort raushörst, denn natürlich haben wir jede Menge Einflüsse - und so viele, weil wir alle beide einen sehr breiten Musikgeschmack haben. Ich bin in einer sehr musikalischen Familie aufgewachsen - mein Vater ist auch Musiker. Bei uns wurde immer schon sehr viel gesungen und es lief von morgens bis abends Musik. Vielleicht rührt es auch daher, dass für mich die Melodien so wichtig sind, denn über meinen Vater bin ich früh in Berührung mit so wahren Meistern auf diesem Gebiet gekommen wie den Beatles, Beach Boys oder auch Fleetwood Mac. Jetzt gerade interessiere ich mich vor allem für starke Frauen im Indie-Genre, die nicht nur singen und tolle Songs schreiben sondern auch Instrumente spielen wie z. B. Phoebe Bridgers, Julien Baker oder auch unsere holländischen Bandkollegen Dakota. Gregor habe ich auch erfolgreich mit Kate Tempest infiziert - für die wir dann sogar im Vorprogramm gespielt haben in Amsterdam - das war toll.

Gregor: Ich komme definitiv aus der musikalischen Ecke der Gitarrenmusik, die, wie ich finde, gar keine Ecke sondern der Mittelpunkt aller Musik ist lacht. In meiner Pubertät war ich totaler Smashing Pumpkins Fan und ich freue mich immer total, wenn Leute uns darauf ansprechen, dass sie diesen Einfluss irgendwie in unserer Musik noch ausmachen können. Aber da Du von „alten Zeiten“ sprichst: es ist möglicherweise so, dass wir auch auf Dinge zurückgreifen, die noch länger her sind. Ich bin durch meinen Vater schon früh mit sehr unterschiedlicher Musik in Berührung gekommen, unter anderem auch mit „Grateful Dead“. Hier ist mir neulich klar geworden, wie bei ihnen immer dann, wenn der Songtext erzählt war, Garcias Gitarre die melodische Funktion übernommen hat und die Band dann durch lange Impro-Teile führt - außerdem hatte seine Gitarre auch immer diesen tollen Federhall-Sound - das wären dann schon zwei Parallelen.

Laura, deine Stimme ist wunderbar, hast du eine Gesangausbildung oder ist das Naturtalent?

Laura: Oh, danke. Also in meiner Familie singen praktisch alle, aber ich hab tatsächlich an der „Hogeschool voor de kunsten“ in Arnhem Gesang studiert. Dort hab ich auch Gregor kennengelernt.

Könnt ihr euch den Sound von „Midnight Parade“ auch mit akustischen Instrumenten vorstellen?

Laura: Klar, können wir uns das vorstellen, da wir gerade in unserer Anfangszeit noch viel akustischer und folkiger unterwegs waren. Die „Intimität“, die wir damit verbinden, ist uns bei aller „Größe“ und „Weite“, trotzdem auch bei „Midnight Parade“ noch total wichtig. Außerdem hat die Platte ja auch schon noch einige Akustik-Gitarren und Schlagzeug oder Piano sowieso. Aber klar, dieser wabernde 80er Jahre Synthesizer, E-Bass, Jaguar Gitarre und Röhrenamps sind Instrumente oder Stilmittel auf die wir gerade einfach nicht verzichten wollen, weil wir mit ihnen unsere Gefühle am besten nach außen katapultieren können.

Hört ihr selbst auch Vinyl Schallplatten oder eher CD bzw. andere digitale Kanäle?

Laura: Wir sind ja die Generation, die mit CDs aufgewachsen ist, im kleinen Booklet Texte mitgelesen hat und vielleicht sogar noch für die beste Freundin ein Mixtape auf Kassette überspielt hat. Aber als dann die Vinyl wieder aufkam (aus eurer Sicht war sie vielleicht nie weg) waren wir natürlich sofort dabei, da das Artwork und alles Haptische plötzlich so schön groß war und seitdem kaufen wir nur noch Vinyl.

Gregor: Stimmt. Aber die digitalen Kanäle sind für uns als Musikkonsumenten natürlich auch einfach so praktisch, dass man nicht drumrum kommt. Früher auf dem Weg zur Schule hatte man einen Discman und mehrere Alben einfach so in der Jackentasche, um ein bißchen Auswahl zu haben, später dann die MP3-Player mit dem Riesenspeicher, tja und jetzt Streaming, für unterwegs ist das ideal. Für zuhause ist dann aber wegen der Haptik und des tollen Klangs Vinyl am allerbesten. Das ist schon ein wirklich erhabener Moment, wenn man die Testpressung zum ersten Mal anhört. Denn wir nehmen alle einzelnen Spuren zwar immer schon mit sehr viel analogem Equipment, wie Röhrenpreamps oder auch Tape-Delays für möglichst viel „Mojo“ auf. Trotzdem gibt es dann eine lange Zeit, in der die Spuren dann zu einer Datei auf einem Computer degradiert werden. Und ganz am Ende, wenn sie dann auf der Vinyl gelandet sind, kommt eben wieder diese „organische“ Ebene dazu, dass die Musik bei jeder Wiedergabe ein kleines bißchen anders klingt. Und nur unser Unterbewusstsein das merkt und mit einem warmen Gefühl im Bauch belohnt. Schon beim Mix der Songs haben wir das im Kopf. Aber auch unser Mastering-Engineer Alex Kloss achtet sehr darauf, dass sich dieser Klang möglichst gut entfalten kann, indem wir die Musik nicht zu sehr komprimieren und die Dynamik nicht so eingedampft wird.

Welchen Wunsch habt ihr an die Zukunft der Musikwelt?

Laura: Stimmt, daran können wir gut anknüpfen. Wir hätten den Wunsch, dass es ein echter Trend wird, wieder viel dynamischere Musik zu veröffentlichen, auch wenn man dann nicht mehr der lauteste Song im Radio ist. Außerdem wünschen wir uns, dass Tonträger bestehen bleiben - einfach weil man noch viel enger in Kontakt mit der Musik tritt, wenn man dazu auch die Texte oder das Artwork in der Hand hat und eben so richtig darin schwelgen kann.

Gregor: Es wäre auch toll, wenn das Modell des Streamings noch insofern optimiert wird, dass auf Seiten der Künstler, der erwirtschaftete Gewinn noch fairer geteilt wird und auf Seiten der Musikkonsumenten, die Algorithmen so programmiert blieben, dass sie eine kulturelle Vielfalt fördern und nicht nur eine monopolistische Marktlogik verfolgen. Gemeinsam mit Reaktionen aus Menschen könnten sie dann sicherstellen, dass auch unbekannte, abseitige Künstler weiter entdeckt und gehört werden können.

Vielen Dank für das Interview.

 

Hier die Rezension zur Schallplatte „Midnight Parade“.

 

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