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Die Britin Reema bei der Aufnahme im LowSwing Recording Studio

LowSwing-Chef Guy Sternberg mit der Londoner Sängerin Reema | Foto: LowSwing

Ein Tonstudio, welches rein analog aufnimmt und produziert, ist im Jahre 2017 eine kostbare Rarität und schon alleine deshalb einen eigenen Bericht im Blog von Vinyl-Fans.de wert: das LowSwing Recording Studio! Und weil deren Chef Guy Sternberg Lust auf komplett eigene LPs hat, gründete er gleich mal ein gleichnamiges Plattenlabel. Mehr dazu in dieser Review.

 

LowSwing Recording - das Tonstudio mit Analogtechnik

Die Vinyl Schallplatte ist zweifellos eines der unperfektesten Medien unserer Zeit. Mechanisch betrachtet ist sie sehr anfällig gegen Beschädigung, in der Plattensammlung nimmt sie viel Platz weg und im Handling insgesamt eher umständlich. Warum also gibt es seit Jahren so einen Run auf dieses antiquierte Stück zur Musikreproduktion? Warum haben so viele junge Leute, die mit digitalen Medien aufwuchsen, so viel Freude an der traditionellen LP? Ganz einfach: sie vermag Emotionen weit besser zu transportieren als jedes andere zeitgenössische Medium. Die Menschen spüren und lieben das! Und Guy Sternberg, Inhaber des LowSwing Recording Studio in Berlin, hat das verstanden und sich nun seit 15 Jahren zueigen gemacht. Mit LowSwing Records hat er ein neues Label gegründet, das ich euch hier vorstellen möchte.

 

LowSwing Records TonbandFoto: LowSwing

 

LowSwing Records - eine musikalische Leidenschaft

Es wäre so einfach, Platten zu produzieren - digital halt. Das machen fast alle, weil es billiger und unkomplizierter geht. Guy Sternberg reichte das aber nicht. Als frisch gebackener 19-jähriger Produzent übernahm er die Verantwortung und erarbeitete sich recht bald einen guten Ruf. Im Jahr 2002 war es dann soweit, dass er ein eigenes Tonstudio ins Leben rief: LowSwing Recording Studio in Berlin. Das erste Album, welches im Lowswing Studio aufgenommen wurde, war Maximilian Heckers zweite Platte „Rose" (unter dem Label Kitty-Yo). Fortan kamen so manche Stars, aber auch unbekanntere Künstler ins Studio in der Greifswalder Straße: neben Maximilian Hecker u.a. die britisch Indierock-Band Keane, das schweizer-deutsche Duo Boy, die deutsch Elektro-Postrocker Kreidler, Der Ärzte-Star Bela B. mit der Nürnberger Combo Smokestack Lightnin' oder der Jazzer Michael Wollny. Allesamt schätzten das, was in diesem Studio möglich ist: Musik in seiner eigentlichen künstlerischen Qualität aufzunehmen. Doch was bedeutet das?

 

LowSwing Records Aufnahme Mikrofon-AufstellungFoto: LowSwing

 

Wird eine Einspielung mit analogem Tonband gemacht, so müssen sich die Musiker zu 100% konzentrieren. Mehrere Takes von einem Stück aufzunehmen bedeutet schlicht höhere Kosten und mehr Zeit. Bei einer digitalen Produktion muss der Künstler nicht alles geben, denn die Aufnahme lässt sich im Nachhinein nachbearbeiten, neuer Take ist nicht zwingend notwendig. Doch die Atmosphäre der künstlerischen Interaktion der Musiker während der Aufnahme (sofern sie überhaupt gemeinsam im Studio stehen) ist dahin, die so oft zitierte nüchterne Studio-Produktion ist so entstanden. Anders bei einer rein analogen Aufnahme aller Beteiligter. Die Mikrofone müssen richtig positioniert und Raumatmosphäre eingefangen werden, alle Musiker spielen zusammen, während das rote Licht leuchtet und das Tonband läuft. Wenn jetzt einer einen Fehler macht oder etwas in der tonalen Abstimmung nicht perfekt ist, dann ist auf dem Band! Danach müssen dann alle zusammen entscheiden, ob man es so belässt oder doch noch einmal aufnimmt. Erstaunlicherweise gibt es immer mehr Künstler, die genau diesen Weg gehen und zu schätzen wissen.

 

Lianne Hall-Caretaker VinylReema-The LowSwing Sessions Vinyl

 

Damit sind wir bei dem neuen Label LowSwing Records. Die Nummer Eins im Repertoire ist die Britin Lianne Hall. Ihre LP „The Caretaker" (erschienen im März 2017, LOSW001) wurde in nur fünf Tagen live eingespielt, lediglich zwei Vocal-Tracks wollte Lianne noch mal aufnehmen. Dass die Wahl-Berlinerin bisher noch nicht im Rampenlicht der Musikszene stand und bei Facebook keine hunderttausende Likes aufweisen kann, interessierte Guy Sternberg nicht. Er erkannte lediglich die großartige Stimme dieser Musikerin, war von ihren Qualitäten überzeugt. John Peel, der legendäre Musik-Guru aus UK, war jedenfalls sehr angetan von ihr!
In die gleiche Richtung geht die zweite Produktion, die Ende Oktober 2017 erscheinen wird: „The LowSwing Sessions" von Reema, ebenfalls einer Engländerin. Wer sich das Video von ihr ansieht, den wird der grandiose Gesang vermutlich genauso umhauen wie mich. Dass hier 14 Musiker im Studio waren, zeigt gleichzeitig, welche Anforderungen da an Guy gestellt wurde. Trotzdem waren nur drei Sessions nötig, um das Mastertape erfolgreich zu füllen. Da diese Platte auf 500 Stück limitiert sein wird, empfehle ich schon mal jetzt das Augenmerk darauf zu werfen!

 

LowSwing Records SchneidemaschineFoto: LowSwing

 

Aufgenommen wird mit einer 70er Jahre Telefunken 2-Zoll 16-Spur Bandmaschine über das legendäre Mischpult Neve console. Die Lackfolie wird ganz klassisch auf der Neumann/Decca Schneideanlage angefertigt, die so fertige „Urschallplatte" kommt dann zu Europas größtes Presswerk optimal media und wird dort vervielfältigt.

 

Was mir nun bleibt ist, Guy Sternberg für dieses ambitionierten Projekt, das er übrigens mit „computer free" beschreibt, viel Glück und Erfolg zu wünschen. Die beiden ersten LPs findet ihr hier im Blog mit einer jeweils eigenen Rezension.