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09
Mai 2017
- Kategorie: Fan-Blog
- Geschrieben von Manfred Krug
Live - Aufnahme - Analog Eine Schallplatte entsteht
9. Dezember 1964 - in Rudy Van Gelders Studio in Hackensack/USA entstand „A Love Supreme" - eine der anspruchsvollsten Jazz-Suiten aller Zeiten. Ein Zeitsprung: 4. Mai 2017 - wieder steht dieses legendäre Werk von John Coltrane auf dem Programm. Dieses Mal versucht sich allerdings das KA MA Quartet daran und zwar live im Bauer Studio Nr. 1 - mit Publikum! Und daraus entsteht eine Schallplatte - Vinyl-Fan.de war dabei und berichtet darüber.
KA MA Quartet - Live in den Bauer Studios Ludwigsburg
Das, was meinen Begleiter und Fotografen Andreas Carl und mich an diesem Tag erwartete, war alles andere als vorhersehbar. Gut, ich kannte die besonderen Live-Qualitäten von Katharina Maschmeyer und ihrer Band von einem genialen Auftritt an unserem Plattenstand während der Krefelder Analogtage. Dort hatte das Quartett eine Session hingelegt, die das verblüffte AAA-Publikum begeisterte. Mir war also heute klar, dass diese vier Musiker ein hohes Niveau mitbringen. Trotzdem war ich skeptisch. Denn was Meister John Coltrane am 9. Dezember 1964 in nur einer Session für die Musikwelt auf Band verewigte, war einzigartig und kann nicht beliebig wiederholt werden. Darum hatte ich Respekt, dass die vier jungen Musiker dieses Thema angingen. Allerdings holten sie mit Nippy Noya einen berühmten indonesischen Percussionisten mit ins Boot - der 71-Jährige ist wohl mehr als die Würze dieses opulenten Mahls.
Im Rahmen der „A Love Supreme / Universal Tone"-Tour, die 2017 quer durch Deutschland führt, machte das Quintett nun also in Ludwigsburg Halt, um mit diesem Programm eine ganz besondere Live-Einspielung aufzunehmen. Nämlich eine Produktion, die noch in guter alter Manier mit Analogband aufgenommen und schließlich daraus eine Vinyl-Schallplatte hergestellt wird. Entscheidend für die Qualität ist hier die richtige Positionierung der Mikrophone, viel Erfahrung und natürlich der richtige Aufnahmeraum - alles Kriterien, die in den Bauer Studios erfüllt werden. Die besondere Komponente bei den Studio Konzerten ist schließlich noch das bei der Aufnahme anwesende Publikum und: es gibt keinen zweiten Take - alles wird so aufgenommen, wie die Musiker spielen, also ein echter Livemitschnitt!
Rein in einen Aufnahmetag der besonderen Art
Ankunft. Der Soundcheck lief bereits, als wir gegen 14 Uhr das Studio 1 betraten. Wir wurden von Musik umflutet und suchten uns erst einmal einen Platz, um das Geschehen wirken zu lassen. Es wurden Takes angespielt, Mikrophone justiert, hier und da Korrekturen vorgenommen. Instrumente wurden ausprobiert, die Pegel festgelegt. Immer wieder kam Philipp Heck, Tonmeister und seit einiger Zeit auch neuer Chef der Bauer Studios, in den Raum, um sich mit den Musikern abzusprechen.
Spannend wurde es gegen 16 Uhr, als ein Take auf Band eingespielt wurde: „Acknowledgement"! Der alles entscheidende erste Teil von Coltranes legendärer Suite, mit dem wohl bekanntesten Part „A Love Supreme". Der Riff an der Gitarre holte das Thema dieses Stückes in die Gegenwart, die beim KA MA Quartet zu einer erstaunlich rockig bis funky Nummer geriet. Zunächst war der Gitarren-Riff und der Rhythmus von Jens Otto am Schlagzeug eher stoisch und repetitiv. Bis dann die ersten dezenten Akkord-Wechsel einsetzen und man eine Ahnung davon bekam, was folgen wird. Katharina Maschmeyer setzte am Tenorsaxofon Akzente, die uns in die 60er Jahre zurückkatapultierten. Ganz erstaunlich, welche Töne diese junge Musikerin an dieser Stelle ihrem Instrument zu entlocken vermochte!
Nach einem Break (das war der Übergang zum nächsten Stück „Resolution") wurden alle leiser, es kam der Moment für die Bassklarinette (genial) und dem Gitarristen Nils Pollheide! Das, was man hier von ihm hörte (an dieser Stelle und im Verlaufe dann während des Konzertes) erinnerte nicht selten an einen gewissen Carlos Santana! Höhepunkt dieser Nummer aber war dann die Battle zwischen dem Schlagzeug und dem Saxofon (jetzt wieder Tenor) - Gänsehaut pur!
Das Ganze dauerte etwas über 17 Minuten.
Dann kam der Einsatz von Nippy Noya - er zeigte hier, warum er zu den besten Percussionisten Europas gehört. Sein Intro zu „Pursuance" war ergreifend und fesselnd, der perfekte Einstieg in eine Interpretation, die zunächst sprachlos machte. Der mittlere Part war vital und erregend, mündete aber in sanfte Klänge aller Beteiligter. Philipp Rüttgers wechselte von Keyboard zum Piano mit leisen Akkorden, was dem Stück einen verträumten Charakter verlieh. Doch die Band verharrte nicht in diesem Moll-Feeling, sondern steigerte die Tempi und Lautstärke bis zum sanften Ausklang.
Es wurde mir an dieser Stelle klar, wie rockig und groovig John Coltranes Musik war. Oder zumindest, wie sie sein kann, wenn unverkrampft innovativ agierende Leute wie das KA MA Quartet daran gingen. Und so allmählich verstand ich auch die Zusammenhänge, warum das CD-Cover ihres Albums „A Love Supreme / Universal Tone" die Covergestaltung der 1971er LP „The Inner Mounting Flame" des Mahavishnu Orchestra aufgriff. Zum Einen ist Gitarrist Nils Pollheide stark von John McLaughlin (Gitarrist und Songwriter beim Mahavishnu Orchestra), aber auch Carlos Santana beeinflusst. Zum Anderen meinte Katharina dazu:
„Das Thema „A Love Supreme" von John Coltrane bedeutet für uns, die Musik frei fließen zu lassen, das Ego loszulassen. Carlos Santana hat dies in seiner Biographie ebenfalls so beschrieben und uns mit seinen Gedanken sehr aus der Seele gesprochen. Carlos Santana beschreibt diesen Gedanken für sich als „Universal Tone" und John McLaughlin als „Inner Mounting Flame". So gab es für uns gleich mehrere Gründe dieses Cover zu wählen."
Während einer kleinen Pause hatten wir zufällig die Möglichkeit, Nippy Noya persönlich kennenzulernen. Zunächst war ich erstaunt, dass sein Deutsch so gut war. Wir erfuhren von ihm, dass er mit jede Menge deutscher Musiker zusammenspielte, darunter Peter Herbolzheimer, Volker Kriegel, Herbert Grönemeyer und natürlich Udo Lindenberg. Eine launige Unterhaltung mit einem Mann, der Musikgeschichte mitgeschrieben hat und dessen Name entsprechend auf unzähligen Plattencovern steht.
Kurze Zeit später waren die Proben beendet. Wir verabschiedeten uns auch erst einmal zur körperlichen Ertüchtigung des Magens, der ja schließlich nicht während des Abends laut aufbegehren sollte. Während des Essens wurde uns klar, dass dieser Event kein normales Konzert sein wird. Und so sollte es dann auch sein.
Das Studio Konzert mit dem KA MA Quartet
19:00 Der Saal füllte sich allmählich, bis schließlich alle Stühle besetzt waren.
19:35 Das Band läuft. Die ersten Klänge von „Universale Tone" laufen. Die Einleitung kommt von Nippy Noya an den Percussion und den dezent gespielten Drums von Jens Otto, ehe Katharina am Sopransaxophon mit einstimmte. Bereits bei diesem Stück, von dem sie später davon sprach, dass es an Carlos Santanas „Universale Tone"-Thema angelehnt ist, wurde die Qualität deutlich, die uns heute noch weiter begegnen sollte.
Dann, die erste Panne: das Sprechmikrophon war zuvor nicht gecheckt worden, wofür der Azubi Michl zuständig war. Katharina musste improvisieren und das Mikro für das Saxofon für ihre Ansagen verwenden, wofür eine witzige Verrenkung notwendig war.
19:45 „Cordial" eine gefällige Midtempo-Nummer, der aus meiner Sicht allerdings der rechte Reiz fehlte. Trotzdem kam sie beim Publikum gut an, was ja am entscheidendsten war.
19:52 Das erste Tonband wurde gewechselt, was Nils Pollheide, der Gitarrist für eine kleine Geschichte nutze, um die Zeit zu überbrücken.
19:54 Es geht weiter mit „Acknowledgement". Die Band überraschte mit Breaks und Rhythmuswechsel, was sich nach meinem Eindruck von der Variante während des Soundchecks unterschied. Die dabei entstandenen Spannungen meisterte das Quartett ganz vorzüglich. Klasse war das Gitarrensolo und erneut der Wechsel zwischen dem energiegeladenen Mittelteil und einem anschließenden Absenken von Lautstärke wie auch Tempo - der Moment, als es mit dem nahtlos übergeleiteten Stück „Resolution" weiterging. In der Folge zogen Tempi und Energie wieder an und sorgten so für einen furiosen Endspurt dieser Nummer.
20:11 Die Tonbänder wurden erneut getauscht und es folgte die Pause.
20:38 Tonband Nr. 3 läuft. Nippy leitet wieder „Pursuance" ein. Doch anders als bei der Probe ist sein Part ein ausgiebiges Perkussion-Fest, das knapp 5 Minuten dauerte. Erst dann kam die Band dazu. Zunächst entwickelte sich ein moderates Miteinander, ehe die Soli den Charakter des Stückes herausarbeiteten. Philipp Rüttgers machte am Keyboard den Anfang, es folgte Nils Pollheide an der Konzertgitarre, Katharina klinkte sich sanft ein und Philipp wechselte zum Flüge. Dies alles geschah erneut während eines unmerklichen Übergangs zu dem Stück „Psalm".
20:57 „The Creator Has A Masterplan" könnte dank der Drums und Perkussion sowie insbesondere der Spieltechnik von Nils gut auch von Santana stammen. Es ist eine ruhige Nummer, Anfangs. Denn: Katharina nahm Fahrt auf! Auch wenn der Rhythmus gleich blieb (die beiden Percussionisten lieferten einen lebendigen und trotzdem gleichbleibenden Beat), die Soli entwickelten ihre eigene Energie, die dieses Stück zu einem weiteren Highlight des Konzertes machten.
21:07 Bandwechsel war wieder angesagt. Nr. 4 kam auf die Spulen.
21:08 „Early Bird" war eine launige, funky Nummer, welche die Beine zum wippen brachte. Drummer Jens Otto hatte hier die Gelegenheit, seine Fähigkeiten in einem Solo auszuleben. Auch Nils durfte wieder die Saiten ausgiebig bearbeiten.
21:16 Mit „Spring Thing" kam das offiziell letzte Stück - eine eher laute und impulsive Jazz-Rock-Nummer, die dieses Event in den Bauer Studios würdig zum Abschluss brachte. Alle gaben noch mal so richtig Gas, es war Laune angesagt.
Um 21:25 wurde das Band dann (erstmal) gestoppt.
21:27 Es war klar, dass noch eine Zugabe fällig wurde, das Band lief also wieder an. „My Zen For You" wurde von Philipp und Nippy hübsch eingeleitet - das Stück entwickelte viel Kraft und zeigte feine Tempiwechsel.
21:33 war dann endgültig Schluss. Das Publikum dankte den Musikern mit lang anhaltendem Applaus.
Ein großartiger Tag mit vielen bleibenden Eindrücken neigte sich dem Ende entgegen. Die Musiker gingen unter die Leute und tranken mit ihnen noch das eine oder andere Bierchen oder Sekt. Das war die Gelegenheit für manchen Besucher, den Protagonisten für diesen Auftritt zu danken. Was ich erneut sehr klasse finde: Interessierte Besucher durften im Anschluss auch in den Regieraum, um dort von Tonmeister Philipp Heck Details zur Aufnahme zu erfahren. Er beantwortete eifrig alle Fragen und war sich dabei sicher, ein gespanntes Publikum vor sich zu haben.
Wer nun Lust bekommen hat, dieses Tondokument anzuhören, muss sich noch ein wenig gedulden. Die fertige Schallplatte wird noch einige Monate dauern. Dann aber bin ich mir sicher, wird sich die Wartezeit gelohnt haben. Ich freue mich auf jeden Fall wie ein Schneekönig darauf!
Besetzung
Katharina Maschmeyer - Tenor & Sopran Saxophon, Bass Klarinette
Nils Pollheide - E-Gitarre, Akustik-Gitarre, E-Bass
Philipp Rüttgers - Piano, Keyboards, Synthesizer
Jens Otto - Schlagzeug
Gastmusiker:
Nippy Noya - Percussion
Die Trackliste
1. Universale Tone
2. Cordial
3. Acknowledgement
4. Resolution
5. Pursuance
6. Psalm
7. The Creator Has A Masterplan
8. Early Bird
9. Spring Thing
10. My Zen For You
Hier noch ein paar Eindrücke
Nippy Noya in Interaktion mit Katharina Maschmeyer
Original Tonbänder von der Aufnahme des Ka Ma Quartet 4. Mai 2017
Philipp Heck, Tonmeister und neuer Chef der Bauer Studios
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