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25
Jun 2022
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- Geschrieben von Manfred Krug
Review: Port Almond - Little Ships (Vinyl 2022)
Als vor rund 4 Jahren sein Debütalbum bei Vinyl-Fan.de als Must-Have-Schallplatte bewertet wurde, war das Interesse groß. Natürlich ist dieser Titel längst ausverkauft, doch nun beschenkt uns der norwegische Sänger und Songwriter Rune Simonsen alias Port Almond mit einer neuen, erneut überaus betörenden Scheibe. Auch sie ist wieder rein analog produziert - purer Genuss!
Port Almond - Little Ships (LP, Vinyl)
Diese Platte hat mehrere Besonderheiten, sowohl technische als auch musikalische und schließlich gar mit dem Entstehungsprozess. In der Summe ist eine LP entstanden, die beim Hörer wohl nicht selten Gänsehaut verursacht. Schon alleine deshalb und der Tatsache, dass dieses Werk aufgrund der Produktionsweise natürlich limitiert ist, wird wohl der „Sold Out“-Stempel recht zügig im Handel bei dem Titel „Little Ships“ zu finden sein. Nun aber mehr zu den Glanzpunkten dieser Schallplatte.
Die Nackenhaare stehen
Vielleicht erst einmal zur Entstehungsgeschichte. Eigentlich war für April 2020 eine Aufnahmesession geplant - die Pandemie hat dem einen Strich durch die Rechnung gemacht. Dann folgte ein neuer Ansatz für Anfang 2021, was dann erneut auf Juni 2021 verschoben wurde. Genau in diese Zeit fiel dann die Katastrophe: Am 4. Juni wurde das LowSwing Recording Studio, die Heimat von LowSwing Records, durch ein verheerendes Feuer zerstört. LowSwing Records-Besitzer und Produzent Guy Sternberg war jedoch nicht bereit aufzugeben. So kam es, dass „Little Ships“ nun das erste Werk des „neuen LowSwing Records“ darstellt.
Was auf diesen Weg entstand, darf durchaus als Fortsetzung des so einzigartigen Weges von LowSwing bezeichnet werden. Der Computer-freie Prozess (wie Guy Sternberg gerne betont) bedeutet einmal mehr ein ganz besonderes Klangerlebnis für den Vinyl-Freund: LowSwing-Platten werden auf analogem Band aufgenommen, gemischt und dann direkt auf Vinyl geschnitten. Beim Mastering werden keine Computer, digitalen Mischungen oder AD/DA-Konvertierungen verwendet.
Röhren-Bandmaschine | Foto: Sidney Meyer
Und im Falle dieser LP verzichtete man auf höhere Stückzahlen (und damit mehr Umsatz!) zugunsten der Klangperfektion: das hier verwendete „One-Step-Plating"-Verfahren** sorgt dafür, dass die Verluste bei der Herstellung der Pressmatrize reduziert werden. Und somit ein besseres Ergebnis erzielt wird - davon konnte ich mich bei meinem Hörexemplar ganz eindeutig überzeugen! Sowohl die Laufruhe ohne nennenswerte Nebengeräusche als auch das Herausarbeiten feinster Aufnahmedetails sind schon ein Erlebnis für sich.
Auf der Basis dieser technischen Voraussetzungen entfaltet sich das musikalische Geschehen um so intensiver. Insbesondere deshalb, weil „Little Ships“ sehr ruhige und doch so derart fesselnde, Balladen-orientierte Arrangements zu bieten hat, wie man sie nur sehr selten in unserer modernen (musikalischen) Welt findet. Wollte man sie in Schubladen stecken, könnte man die Musik als eine Mischung aus Bands des New Romantic Pop der frühen 80er Jahre und neuzeitliche Interpreten wie Belle and Sebastian, Wilco oder Tindersticks ansehen. Auch wenn die Instrumentierung ganz zweifellos einen ganz wesentlichen Faktor einnimmt (ich gehe gleich näher darauf ein), so ist eines hier ganz überragend: der hinreissende, immer wieder betörende Gesang Rune Simonsen!
Vibraphonistin Maria Schneider | Foto: Juan Moreno
Der britische Avantgarde-Trompeter Tom Arthurs und der herausragende norwegische Bassist Dan Peter Sundland dürften wohl zu den Künstlern gehören, die einen unüberhörbaren Jazz-Anteil mit einbringen. Arthurs ist es auch, der die LP mit so entrückt schönen Klängen einleitet. Der Song „Pier“ sorgt bereits dafür, dass man wie gebannt vor der Stereoanlage sitzt und diesem musikalischen Ereignis lauscht. Die zehn Stücke zeigen sich dabei überaus variantenreich, was der umfangreichen Instrumentierung geschuldet ist. Oboe, Flöte, Klarinette und Vibraphon sorgen für kammermusikalische Elemente. Wie in dem sommerlich heiteren Song mit dem schlichten Titel „3:45“ oder „Talking Points“ (nicht nur hier tauchen musikalische Ähnlichkeiten zu Talk Talk auf) kommen die Einspielungen aber auch mit poppigen Kompositionen daher, die den bunten Teil der Platte darstellen. Pastell-farbener bis fast ein wenig dunkel klingen hingegen „Mangoes“ oder „Ivy Machina“.
Da dieses Album eigentlich zehn musikalische Höhepunkte hat, erwähne ich lediglich zwei Anspieltipps, um die Faszination deutlich zu machen: „Maybe Elephant“! Dunkel ertönt die Trompete und eine sehnsüchtige Gitarre sorgen auf dem satten Teppich von Drums und Bass für den Soundtrack epischer Breite, in der sich der wieder grandiose Gesang genüsslich entfalten kann - die Nackenhaare stehen! Den Abschluss bildet dann die Instrumentalnummer und Titeltrack „Little Ships“, besonders Bassfans werden hier begeistert sein.
Die Schallplatte steckt in einem stilvoll gestalteten und nummerierten Gatefold-Cover, das zusätzlich ein Beiblatt mit Infos zur Produktion und Fotos von der Aufnahme enthält sowie ein weiteres Blatt mit einem Kunstdruck des Künstlers Nir Evron.
**Bei dem One-Step-Plating entfallen Produktionsschritte, bei denen stets gewisse Verluste entstehen. Wo sonst aus der Vater-Matrize noch eine Mutter folgt und so weitere Press-Vorlagen entstehen können (bei höheren Auflagen sind das oft 10 Stück und mehr), beschränkt man sich hier auf eben diesen Vater. Die damit mögliche Anzahl an gepressten Schallplatten ist also begrenzt.
Fakten
Erstveröffentlichung: 24. Juni 2022
Label: LowSwing Records
Bestell-Nummer: LOSW 008
Pressung: optimal media
Pressqualität*: 5
Inhalt: 140g Vinyl
Besonderheit: Klappcover, Kunstdruck, Beiblatt, rein analog AAA, One-Step-Plating, Limitierte Auflage
Aufnahmen: September 2021 in den Emil Berliner Studios
Besetzung
Rune Simonsen - Vocals, Nylon Strings Guitar
Jo Ambros - Electric, Baritone and Acoustic Guitars, Pedal Steel
Tom Arthurs - Trumpet
Johannes Feige - Electric Guitars, Backing Vocals
Tom Krimi - Hammered Dulcimer, Zither
Sidney Meyer - Flute
Sarah Young - Oboe
James Scannell - Clarinet, Bass Clarinet
Maria Schneider - Vibraphone
Doron Segal - Wurlitzer, Rhodes, Piano, Synth
Guy Sternberg - Modular Synth
Dan Peter Sundland - Bass Guitar, Fender VI
Stephan "Steppel" Salewski - Drums
Trackliste
Seite 1
1. Pier
2. Go Ride Waves
3. Mangoes
4. 3:45
5. Ivy Machina
Seite 2
6. Talking Points
7. Capes
8. Maybe Elephant
9. Ports
10. Little Ships
* Pressqualität 1-5:
1= starke Nebengeräusche, deutlich sichtbare Pressfehler
5= keinerlei Nebengeräusche, optisch perfekt
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