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22
Jul 2021
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- Geschrieben von Manfred Krug
Review: Arvid Nero - Little White Dove (Vinyl)
Zeitgenössischer Indie kann manchmal so herrlich altmodisch und damit brandaktuell sein! Der Schwede Arvid Nero mit „Little White Dove“ eine Schallplatte geschaffen, die eine erstaunliche Schnittmenge von den Doors, Brian Ferry und Jeff Buckley darstellt. hier die Review zur Vinyl-Ausgabe.
Arvid Nero - Little White Dove (LP, 180g Coloured Vinyl)
Sorry, ich kann nicht anders. Irgendwie wecken bei mir die alten Helden der Rock-, Blues und Pop-Geschichte weit mehr Emotionen als die Musiker heutzutage. Sicher, sie machen ihre Sache häufig sehr gut und sind sehr ambitioniert, doch das, was hängen bleibt, ist am Ende doch nicht so viel. Höre ich mir eine Genesis oder Rolling Stones oder Beatles oder John Lee Hocker-Platte an, dann ist da sofort klar, wer da spielt. Bei zeitgenössischer Musik ist das zumindest bei mir selten bis gar nicht der Fall. Und dann kommt da eine Schallplatte wie die von Arvid Nero und alles ist anders.
Grandiose musikalische Zitate
Zunächst möchte ich festhalten, dass mich diese Platte sehr wohl berührt. Zwar bin ich mir sicher, dass ich in einem Jahr, wenn mir jemand einen Song daraus vorspielt und mich fragt, ob ich das kenne, würde ich sehr wahrscheinlich nicht auf Arvid Nero kommen. Das aber wird der Qualitäten dieses famosen schwedischen SingerSongwriter nicht gerecht und ist sicher auch der Tatsache geschuldet, dass ich die Musik aus den 60er, 70er und 80er Jahren einfach zu oft gehört habe. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier.
Als ich „Little White Dove“ das erste Mal auf dem Plattenteller hatte, staunte ich schon erstmal. Obwohl die Musik eher melancholisch, nachdenklich, reduziert wirkt, so fesselt sie zugleich. Dann kommen musikalische Assoziationen zustande. Gleich mit der ersten coolen Nummer „Out In The Night“ denke ich tatsächlich an die große Zeit der Doors, das E-Piano orgelt wie einst bei Ray Manzarek. Im nachfolgenden Titelstück „Little White Dove“ nimmt die Stimme von Arvid Nero das Vibrato eines Brian Ferry an, das Tempo geht gegenüber dem vorherigen treibenden Stück einen gemächlicheren Takt an. Auch „Out Of The Blue“ ist sehr langsam, im Americana-Style gehalten, was wohl Fans von Bands wie Lambchop, Songs:Ohia oder Howe Gelb gefallen dürfte.
Was mir neben den wirklich gut gemacht historischen Musikzitaten sehr gut gefällt, ist die Wandlungsfähigkeiten der Band, sowohl was die stilistische Ausrichtung als auch die Spielweise angeht. Neben dem bluesigen „Woman“ mit seinem so lässigen Beat und den klasse eingeworfenen Orgeleinsätzen ist es besonders in der letzten Nummer von Seite 1 zu erkennen, wie vielseitig die Musiker auf dieser Platte vorgehen: „So Happy“ startet mit einer Spieluhr, ehe ein spannendes Musikstück beginnt. Nero wird nur dezent mit Schlagwerk und Keyboard begleitet, ein Background-Gesang pointiert das Geschehen, ehe das Tempo anzieht und eine Gitarre zu einem souligen Feeling überleitet, unterbrochen von kurzen Radio-Fetzen.
Apropos Wandlungsfähigkeit: „Four O’Clock Wasteland“ startet im Reggae-Rhythmus und einem Falsett-artigem Gesang, irgendwie wähnt man sich aber auch in den Sümpfen des Mississippi-Delta. Das ist klasse gemacht! Diesen Swamp-Charakter setzt „Talk“ fort, das beinahe lyrisch bis erotische „Lean On“ hingegen ist eher Pop-orientiert und wartet mit etwas schwedisch auf. In „Odd Carol“ kommt dezent eine Trompete zum Einsatz, die Nummer ist sehr groovig. Einen weiteren Gast-Beitrag hören wir in „The Wind“: diese bedächtige Ballade im Stile eines Jeff Buckley dauert über 6min. und wartet mit der Klarinette von Stefan Missios auf.
Einziger winziger Wermutstropfen ist aus meiner Sicht die Pressung des farbigen Vinyl, welches doch einige Laufgeräusche aufweist. Klanglich hingegen hab ich schon weit schlechteres gehört, die Abmischung geht in Ordnung und passt gut zur Musik. Und die ist einfach grandios! Nachdem Arvid Nero mit seinem Erstlingswerk „Mother Earth“ (2018) für den schwedischen Manifestgalan- und Gaffa-Preis nominiert wurde, dürfte diese zweite LP seiner Karriere sicherlich einen Schub verleihen, er hätte es verdient. Vielleicht erinnere ich mich in ein paar Jahren doch noch an diese Platte.
Fakten
Veröffentlichung 14. Mai 2021
Label: Atlas Records
Bestell-Nummer: AR-001
Pressung: Semikols Record Pressing in Riga, Lettland
Pressqualität*: 3
Inhalt: 180g Vinyl
Besonderheit: Klappcover mit Detailinfos
Aufnahmen: 2019 im Studio Oodion in Göteborg, Schweden
Besetzung
Arvid Nero - Gesang, Gitarre
Peter Missios - E-Piano, Vibraphon, Backing-Gesänge
Gabriel Castro - Bass-Gitarre, Backing-Gesänge
Erik Berndtsson - Schlagzeug
Stefan Missios - Klarinette auf ‘The Wind’
Alfred Matérn - Trompete auf ‘Odd Carol’
Trackliste
Seite 1
Seite 2
* Pressqualität 1-5:
1= starke Nebengeräusche, deutlich sichtbare Pressfehler
5= keinerlei Nebengeräusche, optisch perfekt
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