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Paul Camillo Schroeder vorne mit Mütze - im Hintergrund Hochhäuser

Ein heißer Tipp nicht für für Elektronik-Pop-Fans: "Hands Rest" | Foto: Christoph Spranger

Selten fesselt mich elektronische Musik so sehr wie das zweite Album von Paul Schroeder alias Aparde. Und zwar deshalb, weil hier jenseits vom Mainstream und auch losgelöst vom Berliner Clubsound ein künstlerisch anspruchsvolles und zugleich enorm zugängliches Album entstanden ist. Die Review zu einem wahren Highlight.

 

Aparde - Hands Rest (LP, Vinyl)

Elektronischer Clubsound und Pop, Avantgarde und Kunst sind keine Widersprüche - sofern ein Künstler wie Aparde an den Reglern sitzt. In diesem Fall kommen die Klänge allerdings vorwiegend aus einem Analogsynthesizer DSI Prophet 08, Aparde verwendet keine externen Samples oder vorgefertigte PreSet-Sounds. Aparde ist hier solistisch am Werk, neben den Instrumenten sorgt er mit einfachen Vokal-Einsätzen für ganz besondere Stimmungen. Das Ergebnis sind Sounds, die alles andere als üblich sind.

 

Jenseits von Styling und Club-Tauglichkeit

Aparde Hands Rest Vinyl Ki 020Der große Unterschied zu vielen anderen Elektronik-Platten beginnt bereits bei der ersten, noch instrumentellen Nummer „Tar“. Hier nutzt Aparde seine Talente als Schlagzeuger, welche er auf der Musikschule Wolgast entwickelte. Die Drums sind sehr lebendig in dem dunklen und doch irgendwie federleichten Soundkosmos eingebunden. Und schon der nächste Track offenbart eine andere Seite des Musikers: „Hands Rest“ ist mit einfachen Gesangs-Linien und raffinierten Klangkonstruktionen ausgestattet. Zwischen sanft eingesetzten Beats, die das Zeitlupentempo geschickt unterstützen und den getragenen Vocals kann man der Welt wahrlich entrücken. Sehr cool!
Auch der nächste Track nähert sich eher traditionellen Jean-Michel Jarre Klängen als modernem Techno: „Layers“ ist mit einem Chor hinterlegt, wie man sie schon vor rund 40 Jahren hörte. Dennoch ist Aparde das großartig gelungen, eine solche Atmosphäre in das Hier und Jetzt zu transferieren. „Foreign“ ist ähnlich konzipiert, es strahlt eine gewisse Wärme aus, Vocals-Fetzen erzeugen eine eigenwillige, aber keineswegs unangenehme Atmospäre, der Beat oszilliert locker um die Klangelement.

Während die erste Seite eher die entspannteren und avantgardistisch angehauchten Pop-Elektronik-Konstruktionen bietet, wird Seite 2 tatsächlich etwas tanzorientierter. Die Rhythmen werden etwas schneller und locken auf die Dancefloors. Auch wenn „Integrity“ die persönlichen Hintergründe von Paul Camillo Schroeder bei der Entstehung dieser LP auf interessante Weise offenbart (manches wirkt wie eine Suche nach der richtigen Richtung), so ist es doch deutlich an die Clubsounds angelehnt. „Intimacy“ ist wieder schlichter und gerichteter, fast schon etwas melancholisch. Das anschließende „No Need“ wirkt anfangs ziemlich frickelig, wandelt sich dann aber auch in einen tanzbaren, fast hypnotischen Sound. Die letzte Nummer „Simple Things“ demonstriert auch noch einmal das künstlerische Niveau von Aparde, der hier raffiniert mit Tempi, Stimmungen, Stilistinnen und einmal mehr mit schlichten Gesangseinlagen spielt.

Hands Rest“ ist eine ungewöhnliche Schallplatte mit vielen Facetten. Aparde erweist sich als jemand, für den das Wort Künstler ungefiltert verwendet werden kann. Seine, während der Entstehung der Platte, komplizierten Lebensumstände spiegeln sich in den acht Tracks ebenso wieder wie seine geniale Spurfindung, die Dinge wieder ins Lot zu bringen. Solche Einspielungen gibt es in dieser Szene nicht so häufig, zumindest sind mir da nicht sonderlich viele bekannt.

 

Fakten

Erstveröffentlichung: 7. Juni 2019
Label: Ki-Records
Bestell-Nummer: Ki-020
Pressung: optimal media
Inhalt: 150g Vinyl
Besonderheiten:

 

Trackliste

Seite 1

1. Tar
2. Hands Rest
3. Layers
4. Foreign

Seite 2

5. Integrity
6. Intimacy
7. No Need
8. Simple Things