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So unglaublich kann ein Jazztrio klingen!

Mögen sich Vinyl-Fans darüber hinwegtrösten, dass das Album Nr. 10 des Helge Lien Trio nur als normale LP kommt. Denn die CD-Version von „10“ ist gar als Doppelalbum konzipiert - dem gegenüber steht eine musikalisch wie klanglich glänzende, um nicht zu sagen tief beeindruckende, Schallplatte!

 

Helge Lien Trio - 10 (LP, 180g Vinyl)

Er ist Klangmaler, musikalischer Poet und ein spieltechnisches Genie - der Norweger Helge Lien begeisterte bislang seine Fans auf vielfache Weise. Mit seinem Trio wurde er 2008 zurecht mit dem Spellemannprisen ausgezeichnet, mit Adam Bałdych und Knut Hem veröffentlichte Lien vielbeachtete LPs. Das Album „10“ ist allerdings nicht einfach nur ein weiteres Trio-Werk, es kulminiert die vielseitige Schaffenskraft des Pianisten und ist zugleich so etwas wie ein Neuanfang.

 

Der neue Bassist sorgt für eine Energieentladung

Helge Lien Trio 10 Vinyl OZ1091LPWas sich bei der CD-Ausgabe über 20 Tracks entwickelt, wurde bei der LP auf sieben Tracks komprimiert. Somit kommt auch die Dynamik der neuen Kompositionen deutlicher zum Ausdruck und letztendlich auch die Spielweise des neuen Bassisten Mats Eilertsen, der nun den langjährigen Partner von Helge Lien - Gründungsmitglied Frode Berg - ersetzt. Ob auch der Wechsel vom gewohnten Rainbow Studio in Oslo in das schwedische Nilento Studio eine Rolle spielte, darüber darf spekuliert werden. Fakt ist, dass auch hier klanglich auf höchstem Niveau agiert wurde, verantwortlich waren Lars Nilsson und Michael Dahlvid.

Gleich beim ersten Track „Be Patient“ erfahren Besitzer einer hochwertigen Hifi-Anlage, wie es - verdammt realistisch - klingt, wenn ein Bassist die Saite brutal laut schnalzen lässt. Während Lien noch verträumt am Piano klimpert, deutet Mats Eilertsen seine besondere Spielweise an. Dass der norwegische Bassist bereits ausgiebige Trio-Erfahrung hat, hört man hier schon prägnant heraus. Das setzt sich auch in der wunderschönen Melodie von „Popkoral“ fort, Eilertsen umspielt die Akkorde von Lien mal als Fortsetzung kontrapunktiert. Drummer Per Oddvar Johansen garniert dieses Wechselspiel mit einem feinen Becken-Teppich.

Zum Thema Becken kurz eingeworfen - der blecherne und doch silbrig-elegante Klang gehört zu den akustischen Leckerbissen dieser Aufnahme. Je mehr eine Wiedergabekette in der Lage ist, ein solches Spektakel realistischer abzubilden, desto mehr fühlt man sich als Zuhörer mitten im Studio dieser fantastischen Einspielung!

Zurück zur Musik. In „Nipa“ ist Helge Lien wieder ganz in seinem Element. Er reißt das Ruder an sich, dominiert den dynamischen Part, während Eilertsen und Johansen rhythmisch kräftig vorschieben. In den fast acht Minuten entwickelt sich ein fließender Übergang von Tempo und Rhythmus, die Melodie kann sich prächtig entfalten. Beinahe auf die Spitze getrieben, wirkt das anschließende „Falturill“, bei dem Lien mit Stakkato-Spiel und seine beiden Mitspieler als Rhythmus-Maschinen agieren. Gerade bei einer solchen Nummer kann man über die grandiose Spieltechnik aller drei Protagonisten staunen. Der nächste internationale Jazzpreis dürfte angesichts solcher Leistungen nur eine Sache der Zeit sein.

Auf Seite 2 kann man sich erstmal von dem musikalisch überbordenden Ereignis der letzten Nummer erholen. Zugleich ist „Jazzkoral“ ein weiteres Beispiel für die Spielkunst des Helge Lien. Es ist nicht einfach nur eine Ballade, ich sehe darin vielmehr eine Demonstration dessen, wie ein Genie am Piano auch nicht gespielte Noten mit Leben füllt und Breaks schafft, wo sie keiner erwartet. Und seine beiden Partner folgen ihm dabei auf unfassbar coole Weise! Dazu passt „Krystall“ in Tempo und Aufbau, wenngleich dem Bass und Schlagzeug wieder eine bedeutendere Rolle zukommt. Daraus entwickelt sich im Laufe der über sieben Minuten eine quirlige Nummer, die den Zuhörer in jeder Sekunde fesselt. Mit dem anschließenden, die 10-Minuten-Marke überschreitendem „Now“, erlebt man dann noch einmal die ganze Palette des subtilen und offensichtlichen Zusammenwirkens von drei Musikern, für die Rhythmuswechsel und irrwitzige Tempi wie ein Kinderspiel scheint. Großartig!

 

Fakten

Erstveröffentlichung: 15. März 2019
Label: Ozella Music
Bestell-Nummer: OZ1091LP
Pressung: Pallas
Inhalt:180g Vinyl
Besonderheit: Klappcover

 

Besetzung

Helge Lien - piano
Mats Eilertsen - bass
Per Oddvar Johansen - drums

Aufnahmen im Nilento Studio, Gothenburg, Schweden

 

Trackliste

Seite 1 (total 22:27)

1. Be Patient 2:56
2. Popkoral 4:27
3. Nipa 7:46
4. Falturill 7:18

Seite 2 (total 22:02)

5. Jazzkoral 4:14
6. Krystall 7:28
7. Now 10:20

 

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