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Christoph Bouet an der Gitarre, Wulf Mohrmann am Schlagzeug

Eine Jam Session, die "Skyline Drive" zu dem macht, was sie von anderen LPs unterscheidet

Es gibt perfekt produzierte und rohe, unfertig wirkende LPs, es gibt Live-Aufnahmen und solche mit Jam-Sessions. Und es gibt solche wie die von Christoph Bouet, die so anders sind als vieles, welches wir alle im Plattenschrank haben. „Skyline Drive" ist auch eine Abkehr von den beiden bisherigen Alben dieses Künstlers. Mehr dazu, was euch bei dieser Schallplatte erwartet, gibts in dieser Review zu lesen.

 

Christoph Bouet - Skyline Drive (LP, 180g Vinyl)

Große, bedeutende Produzenten schufen wichtige Werke, die bei uns in den Plattenregalen stehen. Sie arbeiteten so lange daran, bis sie perfekt waren. Aus einer Idee entstand manchmal etwas ganz anderes als ursprünglich. Songs wurden ausgearbeitet, verbogen, umgemodelt und neu gestaltet. Manche dieser Produzenten sind Perfektionisten und gar wahre Experten ihres Faches. Es gibt aber auch Künstler, solche wie zum Beispiel Christoph Bouet. Und bei seiner neuesten Platte war alles anders!

 

Eine Idee in seiner Unvollendung bewahrt.

Christoph  Bouet Skyline Drive VinylDer Song „Come On, Fire!" entstand bereits 2015, er sollte eigentlich auf die LP Nr. 2. Doch das Thema Krieg passte nicht so ganz in das Konzept jener Schallplatte, die im Jahre 2016 erschien. Es dauerte zwei Jahre, bis eine Begegnung mit einem alten Freund zu LP Nr. 3 führte. Christoph Bouet und Wulf Mohrmann haben sich rund 30 Jahre nicht mehr gesehen, mit 16 hörten sie die Platten von Joy Division, The Cure und Phillip Boa. Der Geist von einst tauchte wieder auf, erste Jamsessionen entstanden. Hinzu kamen weitere Kumpels von früher, die teils noch nie ein Instrument gespielt haben. Christoph gelang es, sie zu motivieren, bei dieser ganz besonderen Einspielung mitzuwirken. Kaum zu glauben, dass so etwas in unserer heutigen Zeit noch gibt.

Von den ersten Versuchen bis hin zum fertigen Take dauerte es nicht lange, Christoph wollte dieses Limitierte und Unfertige bewahren. Er liebt diesen rauen Sound. Und so steht „Skyline Drive" also für das Unvorhergesehene, etwas, das keine große Produktionszyklen bedurfte. Tatsächlich klingen die sechs Songs auch genau so, als entstanden sie bei einer launigen Jamsession oder einem improvisierten Liveauftritte. Klar, Christoph hatte das Konzept im Kopf. Doch das, was im Dachstuhl einer ehemaligen Panzerwerkstatt in Magdeburg auf einer Studer Bandmaschine verewigt wurde, behielt seinen eigenwilligen Charme.

Die LP beginnt mit einer verstörenden Noiseattacke, betitelt mit „Never". So ist Krieg nun mal, brutal und unbarmherzig. „All" ist dagegen strukturiert, der Beat vom Schlagzeug stoisch und die infernalen Gitarren verkünden laut, warum es hier geht. Der Rhythmus von „Preachin' Love" wird etwas schneller, das hat etwas von Joy Division, eine starke Nummer. Und dann ändert sich das Geschehen bei „Every Night": mit der akustischen Gitarre und etwas Pedal Steel kippt die Stimmung in Melancholie, trotzdem für mich eine sehr willkommene Abwechslung.

Auf Seite 2 folgt ein Stück, welches mich sehr an Neil Young erinnert, an dessen ausladenden Jam-Nummern mit Crazy Horse: „Come On, Fire! (Apache Air Strike)". Bei der musikalischen Umsetzung durch die großartigen E-Gitarrenparts verliert das Thema eines Apache-Hubschrauber-Einsatzes fast seinen Schrecken und grausamen Hintergrund. Das ist ganz starker Stoff! Nicht minder klasse, wenn auch aufgrund der akustischen Darbietung weit sanfter ist das Country-orientierte „Skyline Drive", das Titelstück der Platte.

Ein Wort noch zu Christoph Bouet. Er ist in erster Linie Maler, dessen Bilder auf unzähligen Ausstellungen zu sehen und auch zu erwerben sind. Dass er nun seit einigen Jahren auch seine Musik auf analoger Schallplatte veröffentlicht und zugleich einen kleinen Einblick in sein künstlerisches Schaffen als Maler zeigt, ist für uns Vinylfreunde ein Glücksfall. Denn wählt man eine seiner Sondereditionen, so erwirbt man gleichzeitig auch ein echtes Original seiner Bilder.

Diese Scheibe hört man nicht mit elegantem Rotwein, eher schon mit Whiskey oder Bier. Der Sound ist rau, ungehobelt, polternd. Und doch zugleich genießt man hier eine exzellente Klangqualität, wie sie allenfalls ein Neil Young zustande bringen kann. Im Unterschied zu ihm hat Bouet allerdings keinen teueren Produzenten und Tontechniker zur Seite, sondern realisierte das Ganze alleine. Weniger ist mehr und in diesem Fall exemplarisch gut gelungen!

PS:
Die Songs 1, 4 und 6 wurden analog mit einer Studer Bandmaschine aufgenommen, die Basictracks von 2, 3 und 5 entstanden digital 192KHz/24Bit HiRes und die Overdubs wieder analog mit Studer Bandmaschine.
Das Mastering und der Folien-Schnitt erfolgte durch Tonmeister Rainer Maillard in den Emil Berliner Studios in Berlin. Die Standard-LP (übrigens Vinyl-Only, also nicht als CD erhältlich!) im Klappcover enthält das 20-seitige Booklet, alle andere Editionen sind mit zusätzlichen Originalen ausgestattet, siehe auch unten.

Bouet Buch SR2 03Bilder aus dem Austellungsbuch

 

Und noch etwas für Sammler: von den LPs No.1 und No.2 gibt es noch eine kleine Handvoll direkt beim Künstler unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, ansonsten sind sie vergriffen. Auch für No.3 gilt: hoher Sammlerwert!

 

Fakten

Erstveröffentlichung: Juni 2018
Label: 1301 Media
Bestell-Nummer: 1301-03
Pressung: optimal media
Inhalt: 180g Vinyl, signiertes Klappcover, Booklet, Original Feder-, Kreidekohle- oder Graphit-Zeichnung, 152 Seiten Buch (je nach Edition)
Besonderheit: 5 verschiedene Auflagen, Gesamtauflage 500 Stück:

White Edition: 333 Stück, nummeriert
Black Edition: 77 Stück, nummeriert, Original Federzeichnung
Gold Edition: 33 Stück, signiert, nummeriert, Original Kreidekohle- oder Graphit-Zeichnung
Custom Gold Edition: Widmung des Künstlers, nummeriert und von allen Musikern signiert, Original Federzeichnung und Kreidekohle- oder Graphit-Zeichnung, 152 Seiten Buch

 

Besetzung

Christoph Bouet - vocals, bass, acoustic & electric & pedal steel & rhythm guitar, wurlitzer piano, synthesizer, percussion
Wulf Mohrmann - rhythm guitar („Preachin' Love", „Come On, Fire!"), drums („All")
Tilman Roos - drums („Preachin' Love", „Come On, Fire!")
Matthias Gütte - electric rhythm guitar („All")
Richard Bouet - drums („Never")

Aufnahmen im April bis Mai 2017 im Teatax Studio in Magdeburg und Stockroom Studio (Gommern), Overdubs September 2017

 

Trackliste

Seite 1

1. Never
2. All
3. Preachin' Love
4. Every Night

Seite 2

5. Come On, Fire! (Apache Air Strike)
6. Skyline Drive