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„Es war nicht so gemeint“ - eine LP jenseits deutscher Pop-Gleichgültigkeit

Das Cover hat was, es macht neugierig auf die Musik dieser Schallplatte. Besonders deshalb, weil einem der Name Prag vielleicht erstmal nichts sagt. Um so größer wird die Überraschung sein, wenn sich die Nadel auf die Platte senkt - das verspreche ich euch! Hier die Rezension.

 

Prag - Es war nicht so gemeint (LP, 180g Vinyl)

Nein, ich wundere mich nun nicht mehr. Schon beim ersten Durchhören der LP fiel mir auf, dass hier klanglich etwas anders ist, als bei den vielen heutigen Pop-Produktionen. Aus Gewohnheit nütze ich diesen „Testlauf" dazu, einen ersten Eindruck zu gewinnen - über die Musik und dem gesamten Produkt einer Schallplatte. Das kann schon mal so nebenbei passieren, das ist noch kein konzentriertes Zuhören und Aufnehmen aller Details. Das kommt erst beim zweiten Durchgang. Und da hab ich mir das Cover bzw. in diesem Fall die bedruckte Innenhülle näher angesehen und entdeckte dann unter „Recording and Mixing" einen Namen, der mir die Klangeindrücke erklärt: Guy Sternberg! Diese LP wurde also im Lowswing-Studio Berlin aufgenommen, welches für seine analogen Produktionen bekannt ist!

 

„Es war nicht so gemeint" - eine Komposition für die Sinne

PRAG Es-war-nicht-so-gemeint 180g VinylAls ich dann von Erik die Infos zur Aufnahme bekam, rundete sich dieses Bild ab. Die beiden vorangegangenen Veröffentlichungen von Prag (übrigens auch als Vinyl zu haben) wurden noch teilweise im Overdub-Verfahren eingespielt. Für „Es war nicht so gemeint" hatte man anderes vor: es sollte alles gemeinsam aufgenommen werden, in einem Studio und mit einem Tontechniker, der darauf spezialisiert ist. Sieht man sich die üppige Besetzung rund um das Prag-Duo Erik Lautenschläger & Tom Krimi an, so ahnt man, wieviel Aufwand hinter dieser Produktion steckt. Analoge Technik also einerseits und die Erfahrung der Musiker andererseits - hier entstand eine ungewöhnliche Musik, die auf der Basis feiner Analogtechnik neue (alte) Wege beschreitet. Und dabei die Sinne auf vielfältige Weise anspricht!

Man kann es sich kaum vorstellen und es ist in einer Rezension auch schwer zu beschreiben: die 16 Songs sind eine Schnittmenge aus deutschsprachigem Pop, Kammermusik, Chanson, Folk und Liedermacher-Flair. Dazu kommt eine gehörige Portion Filmmusik-Atmosphäre, die durch die üppige Instrumentierung mit Bläsern und Streichern immer wieder zustande kommt. Besonders hervorzuheben ist die Sängerin Josephin Busch, die in drei der Stücke ganz wesentlich zum Gelingen des Albums beigetragen hat. Dass es eine gänzlich handgemachte Musik darstellt, ist angesichts der immer wieder verblüffenden Sounds durchaus überraschend. Das klingt in einem Moment modern arrangiert und dem Zeitgeist der deutschen Szene angenähert und schon im nächsten Takt kommt eine stilistische Wende, die den Unterschied ausmacht. In den Kompositionen stecken so viele Details, dass es schier unmöglich ist, irgendeine Schublade zu bemühen - ist auch nicht nötig.

Recht schnell achtet man bei derartig gestalteten Liedern auf die Texte, die lyrischen Qualitäten sind unüberhörbar. Fern jeder Beliebigkeit und künstlich aufgeschichteten Reimen, wie sie so oft in deutscher Popmusik vorzufinden sind, entfalten sich bei diesem Prag-Kunstwerk wahre Blumensträuße (man höre nur mal „Was können die Blumen dafür") und verblüffende Blickwinkel in den Alltag („Amnesie"). Die Texte zu lesen scheint so, als hielte man ein literarisches Werk eines berühmten Dichters in den Händen - ein reizvolles Erlebnis.

Ein fantasievolles Video mit abgedreht-absurden Szenen passt zu dieser Schallplatte, deren Schöpfer Erik Lautenschläger und Tom Krimi alias Prag ein echtes Kleinod geschaffen haben. Die Musik ist beschwingt und melancholisch, nachdenklich, dann wieder auch frech und fröhlich - man stellt schließlich fest: „Es war nicht so gemeint"!

 

Fakten

Erstveröffentlichung: 18. August 2017
Label: TYNSKA Records
Bestell-Nummer: 4049324333070
Pressung: Sonopress
Inhalt: 180g Vinyl
Besonderheit: Innenhülle mit Liedertexten und Infos

 

Besetzung

Erik Lautenschläger - Gesang, Backing vocals
Tom Krimi - Gitarren, Theremin, Zither, Hackbrett, Mandoline, Banjo, Ukulele, Orgel, Percussion, Backing vocals

Mitwirkende:
Achim Färber - Drums, Percussion
Paul B. Keeves - Bass, Kontrabass
Stephan Kunz - Piano, Spinett, Wurlitzer, Fender Rhodes, Orgel
Steffen Zimmer - Trompete, Flügelhorn, Percussion
James Scannel - Flöte, Piccoloflöte, Klarinette, Bassklarinette, Sopransaxophon
Stephan Bohm - Posaune
Thomas Klupsch - Horn
Ivonne Fechner - Geige
Michiko Feuerlein - Geige
Stefanie Hölk - Geige
Sara Rilling - Bratsche
Rahel Rilling - Bratsche
Anton Peisakhov - Cello
Josephin Busch - Gesang
Anke Lautenschläger - Backing vocals

Chor:
Falko, Sven Ole, Rike & Matilde & Elsa, Nele, Vranko, Janin & Lucian, Kathrin & Ella, Simone & Gina, Anki, Simone & Sonja, Paul & Laura, Anna & Günter & Roman & Thomas

Aufnahmen 2017 Lowswing-Studio Berlin

 

Trackliste

Seite 1

1. Erste Schritte
2. Der Moment (mit Josephin Busch)
3. Amnesie
4. Gute Laune
5. Der Mond (mit Josephin Busch)
6. Abgemacht
7. Das schönste Wort der Welt
8. Es war nicht so gemeint (Teil 1)

Seite 2

9. Ich sehne mich
10. Es wird anders sein
11. Noch ein paar Meter laufen
12. Was können die Blumen dafür
13. Komm doch
14. Es scheint (mit Josephin Busch)
15. Wenn Du magst
16. Es war nicht so gemeint (Teil 2)