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Was hat Johann Wolfgang von Goethe mit Jazz und Rockmusik zu tun? Und warum passt das auch noch zu Chanson-artiger Kammermusik? Rudolph von Schmitt-Winterfeldt beantwortet dies mit seiner ersten Vinyl-Schallplatte, die so herrlich anders ist und erstaunliche Qualitäten offenbart. Die Rezension lässt Vinyl-Fans wundern!

 

Rudolph von Schmitt-Winterfeldt Quintett - An vollen Büschelzweigen (EP, Vinyl)

Schmitt-Winterfeld-An vollen Bueschelzweigen 180g VinylIn unseren Zeiten gelten die Maxime, sie setzen die Latte hoch - Mega, Giga, Tausendstel-Sekunden und Millionen Likes in wenigen Stunden! Alles was darunter bleibt, hat im sich immer schneller drehenden Rad unserer Gesellschaft wenig Chancen, Beachtung zu finden. Es gibt aber auch Keimzeilen der Hoffnung, die insgeheim viele Menschen hegen. Nicht jeder möchte in diesem Spiel mitmachen, sondern die kleinen, feinen Schönheiten des Lebens für sich entdecken. Wie zum Beispiel diese Schallplatte!

 

Literatur trifft auf Musik - An vollen Büschelzweigen

Der Herbst ist die Zeit der Kastanien. Es ist aber auch die Zeit, ein Gedicht von Johann Wolfgang von Goethe herauszukramen und einfach ganz frech mit jazziger Musik neu zu interpretieren. Das erste Stück dieser EP (also eine Mini-LP) erweist sich bereits als launiges Intro für die nachfolgenden drei Lieder mit Überlänge. Die Lyrik von Goethe ist Poesie und Augenzwinkern zugleich:

Die Schale platzt, und nieder
Macht er sich freudig los;
So fallen meine Lieder
Gehäuft in deinen Schoß.

Die Sängerin Marina Pugacheva erweist sich dabei charmant und stimmlich ausdrucksvoll. Zwischen dem kompakt gespielten Arrangements wurde noch raffiniert ein Gitarrensolo eingebaut (Alexander Stegmayr), was dem stimmigen Gesamteindruck das I-Tüpfelchen verpasst hat.

Es folgt mit „An Noah" ein Liebesgedicht von Johann Georg Jacobi, statt Chloe durfte hier Noah umgarnt werden:

O, der Liebe Schauder bebte,
Mächtig mir durch jeden Sinn:
Noah! meine Seele schwebte
Küssend zu der deinen hin.

Rudolph von Schmitt-Winterfeldt machte daraus eine spannende Jazz-Rock Nummer, die von ruhigen zu lauten, furiosen Passagen eine dynamische Spannweite zu bieten hat. Den Gesangs-Part übernahm hier Marie Sophie, die junge Josephine Guzy legte ein beeindruckendes Gitarren-Brett hin und Kim Weitzendorf sorgte an der Hammondorgel für überraschende Momente.

Auch die beiden Kompositionen der Seite zwei basieren auf Gedichten von Goethe, musikalisch sind sie etwas entspannter, fast schon mit Chanson-Charakter angelegt und mit feinen Soli ausgestaltet. Besonders gut gefällt mir der Song „An den Mond", der sehr flüssig und dabei virtuos gespielte Flügel zeigt das ausgesprochene Talent von Kim Weitzendorf. Am Gesangs-Mikrofon hören wir hier Katharina Gerrard, Marina Pugacheva übernahm die Chorus-Stimme.

 

Ich halte es für eine sehr schöne Idee, Literatur zu vertonen. Insbesondere, wenn es so charmant vorgetragen wird wie vom Rudolph von Schmitt-Winterfeldt Quintett, das für diese Platte mit weiteren Musikern ergänzt wurde. Was mich dann noch verblüfft hat: um diese Review zu schreiben, hörte ich mir die LP mehrfach an, ließ sie auf mich wirken und stellte fest, dass die musikalische Qualität dabei eher zunahm. Immer wieder entdeckte ich Details, die das Geschehen tatsächlich als Kunstgriff darstellten. Und noch eins: das Vinyl klingt auch noch ganz prima - kurzum, „An vollen Büschelzweigen" ist meine besondere Empfehlung an euch!

 

Fakten

Erstveröffentlichung: September 2016
Label: vsw-Musik /phonector
Bestell-Nummer: 100918
Presswerk: Celebrate Records
Inhalt: 150g Vinyl, Beiblatt mit Texten

 

Besetzung

Marina Pugacheva - Gesang & Piano
Inka Ebert - Saxophon
Josephine Guzy - Gitarre
Rudolph von Schmitt-Winterfeldt - Bass
Tim Lehnert - Schlagzeug

 

Trackliste

Seite 1

1. An vollen Büschelzweigen 3:32
2. An Noah 7:18

Seite 2

3. April 6:41
4. An den Mond 8:48