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03
Okt 2024
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- Geschrieben von Manfred Krug
Neue Schallplatten - Empfehlungen | Oktober 2024
Dieser neunte Teil der Kurz-Reviews bringt uns ein paar ungewöhnliche Schallplatten, die nicht in die üblichen Raster passen. Besonders die LP von Erland Cooper liefert auch noch dazu eine höchst ungewöhnliche Geschichte, wie sie in unserer schnelllebigen Musikwelt ziemlich einzigartig sein dürfte.
Vinyl-Neuheiten 9-2024 - Die Plattentipps in Kurz-Reviews
Denver Cuss - Leaving Me (LP, Vinyl)
Schon das Cover mit seinen Pastellfarben zeigt unmissverständlich, hier ist Nostalgie der 1960er Jahre drin.
Die britische Sängerin und Songwriterin Denver Cuss hat mit diesem Debütalbum einen konsequenten Weg in Richtung des Soul und R&B jener vergangenen Epoche vollzogen und das gleich mal richtig stilvoll. Ihre Band, die sich aus einigen der besten Musiker Londons rekrutiert, verwendet das klassische Instrumentarium, das zu dieser Zeit dazugehört: neben Gitarren, Bass und Schlagzeug sind das vor allem Wurlitzer und Orgel sowie die unverzichtbaren Bläser. Ausserdem sorgt der Background-Gesang im Doo-Wop-Style für die passende Atmosphäre, das passt.
Die neun Songs, im lockeren Midtempo und als Balladen gehalten, würden durchaus zu den alten Platten der The Impressions, The Drifters oder The Four Tops passen. Die Stimme von Denver Cuss ist etwas lasziv, erinnert dabei tatsächlich an die großen Sängerinnen der 50er und 60er Jahre, ohne allerdings deren Klasse zu erreichen. Ausserdem stört mich, dass der Gesang etwas zu überrepräsentiert abgemischt wurde, ein wenig mehr Balance zwischen Stimme und Instrumente wäre perfekt. Denn der Sound ist warm und vermittelt analoges Feeling. Und tatsächlich macht diese Platte richtig Spaß, vermittelt ein gutes Feeling und so muss es sein. Ein Tipp für Fans von Nick Waterhouse!
Broken Silence Records, Veröffentlichung 30. August 2024
Erland Cooper - Carve The Runes Then Be Content With Silence (LP, Vinyl)
Was für eine Story! Hier wird unserer Wegwerfgesellschaft in Sachen Kultur und der heutigen Kreativbranche mit ihrer schnellen Konsumrate auf eine höchst ungewöhnliche Weise ein Spiegel vorgehalten.
Darum gehts: Der schottische Komponist und Produzent Erland Cooper nahm zusammen mit dem Kammerensemble Studio Collective und dem Violinisten Daniel Pioro (Jonny Greenwood, BBC Philharmonic) ein Violinkonzert in drei Sätzen auf. Dann wurden die digitalen Aufnahmen davon vernichtet und das parallel mitlaufende ¼-Zoll-Magnetband auf Orkney im Boden vergraben. Die Erde sollte sich diesem Stück Kultur annehmen.
Cooper gab seinen Fans immer zur Tagundnachtgleiche eines Jahres Hinweise, wo sie das Band finden konnten.
Rund eineinhalb Jahre später wurde es dann entdeckt und ausgegraben. Nun, unbearbeitet und mit allen Fehlern, welche durch die Zeit in der Erde an dem Tonband entstanden sind, hat man es ganz bewusst ohne jegliche Bearbeitung als Schallplatte veröffentlicht. So entstand Knistern bei den Rezitationen und insbesondere das letzte Stück "With Silence (Movement III - Part 4)" ist zum Schluss hin verzerrt, der Ton bricht ein. Somit hat die Natur durch ihren Teil an der Darbietung der Komposition mitgewirkt.
Bei diesem völlig einzigartigen Versuch, mit der Natur zusammenzuarbeiten, war es ein Experiment über Geduld, Kunst und Wert. Das Band hätte zerstört sein können und damit wäre die Musik verloren gewesen - so aber ist sie heute wieder lebendig und erstrahlt in einem erstaunlich guten Zustand das Licht der Welt.
Decca / Universal Music, Veröffentlichung 20. September 2024
Zedd - Telos (LP, Vinyl)
Noch bevor ich die Schallplatte aufgelegt habe, hat mich das klasse Klappcover eingenommen - das ist Coverkunst! Das fantasievolle gemalte Fensterbild ist auf dem schwarzen Karton (hochwertige dicke Qualität!) lackiert, darunter ist ein spiegelnder Schatten zu sehen, der dem Fenster noch einen 3-D-Eindruck verleiht.
Fantasievoll ist auch das musikalische Programm, das uns da der DJ und Produzent Zedd auf seiner neuen LP "Telos" präsentiert. Denn, auch wenn man es mal so grob unter moderner Dance-Pop-Music mit Electronicsounds verorten könnte, so offenbaren die zehn Songs weit mehr Ausdrucksstärke und Tiefe als man erwartet.
So sind nicht nur diverse Sängerinnen und Sänger zu hören, die sich in der Musikszene längst einen Namen gemacht haben, sondern es zeigen sich auch Instrumentierung und Arrangements weit jenseits des beliebigen Pop-Einerlei. Da sind Streicher, Dudelsack, Low Whistle (keltische Pfeife) und ein indischer Chor zu vernehmen, alles eingebunden in opulente und raffiniert gestaltete Sounds. Unter den beteiligten Künstler sind Bea Miller, Bava, Remi Wolf, John Mayer und Muse zu erleben. Letztere z.B. haben zusammen mit Zedd eine großartige Version von "Ave Maria" geschaffen, die alleine schon als Höhepunkt des Albums bezeichnet werden könnte.
Dass Zedd zu international renommierten Künstlern zählt, zeigen nicht nur die fünf Nominierungen und einem GRAMMY Award in der Kategorie Best Dance Recording (2014), sondern auch ausverkauften Headliner-Sets weltweit und sogar ein eigenes Festival (Zedd In The Park).
Der Klang der LP ist klar und teils recht wuchtig, das macht schon Spaß. Nett ist übrigens auch ein "Hidden Track" am Ende der LP, der nicht auf dem Cover vermerkt ist!
Universal Music, Veröffentlichung 27. September 2024
TorD Gustavsen Trio - Seeing (LP, 180g Vinyl)
Manfred Eicher wäre wahrscheinlich entsetzt zu lesen, dass eine von seinen produzierten Schallplatten perfekten Stoff zur Entspannung bietet, also sozusagen ein Relax-Album. Darauf möchte er die Musik sicher nicht reduziert sehen, aber ich sage: genau dafür eignet sich "Seeing" ideal. Denn die zehn Stücke dieser LP hat das Tord Gustavsen Trio auf eine Weise eingespielt, das ein neutraler Zuhörer als sehr angenehm und wohltuend empfinden kann.
Der norwegische Jazzpianist Tord Gustavsen hat hier konzentrierte Songformen gewählt, die in ihrer Reduktion das gemeinsame Spiel der Musiker in den Vordergrund rückt und auf sonst üblich Soli verzichtet. auf der LP finden sich neben Eigenkompositionen auch zwei Bach-Chorälen und zwei Traditionals, wobei ich in "Jesus, gjør meg stille" eine Verbindung zu orientalischen Klängen entdecke. Zusammen mit seinen langjährigen Begleitern Jarle Vespestad am Schlagzeug und Steinar Raknes am Kontrabass findet Gustavsen ein stilvolles Miteinander, bei dem selbst Gospel und Blues eingeflossen sind. Sein sanfter Anschlag, das dezent federnde Schlagzeug und die weichen Basslinien sind einfach nur Genuss pur, insbesondere hinsichtlich der fantastischen Klangqualität der Aufnahme in den Studios La Buissonne in Südfrankreich.
ECM Records, Veröffentlichung 4. Oktober 2024
Annette Peacock - An Acrobat's Heart (2 LP, 180g Vinyl)
Als CD ist dieses Album ausverkauft und nun erstmals als Vinyl erhältlich und das gleich mal in absoluter Top-Qualität! Nein, das ist keine ECM-Werbung, sondern einfach nur Fakt über das, was auf meinem Plattenteller liegt: eine exzellente Pressqualität, insbesondere bei dieser ruhigen Musik sehr wichtig - ein wunderbarer Klang, das Mastering ist perfekt - ein sehr hochwertiges Klappcover im "Tip-on Gatefold Jacket"-Style.
Nun aber zur Musik: mit ihrer warmen Stimme verzaubert Annette Peacock von der ersten Minute an. Allerdings ist das Album insgesamt sehr getragen-ruhig bis melancholisch, das muss man mögen. Dann aber dürfte man angesichts dieser herrlichen Melodien im Grenzbereich zwischen Jazz, Kammermusik und Piano-Musik einfach nur begeistert sein. Manfred Eicher fädelte den Kontakt zwischen der US-amerikanischen Sängerin Peacock und dem Cikada String Quartet aus Norwegen ein - die daraus entstandenen Klangskulpturen inklusive Streicherarrangements dürfen in der modernen Musikwelt durchaus als Rarität gelten.
Der lyrische Charakter lässt die sparsamen Arrangements extrem gut wirken, Peacocks rauchige Altstimme harmoniert perfekt mit den Streichern und ihrem Flügel. Irgendwie greift das Foto auf der Rückseite des Plattencovers die Stimmung sehr schön auf: eine Akrobatin hängt an einem Seil über dem Boden, den ein Scheinwerfer erhellt, ansonsten ist der Raum eher dunkel und die Farben in Sepia gehalten.
Die LP wurde im Januar und April 2000 von Jan Erik Kongshaug im Rainbow Studio in Oslo aufgenommen.
ECM Records, Veröffentlichung 25. Oktober 2024
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