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01
Okt 2024
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- Kategorie: Fan - Rezensionen
- Geschrieben von Manfred Krug
World Music Vinyl Special 2024
Sie verbindet Menschen, sie macht glücklich und sie zeigt Gemeinsamkeiten auf, die sonst nicht erkannt werden: Weltmusik. Dieser weitläufige Begriff der Worldmusic steht auch für die Verbindung von Menschen ganz unterschiedlicher Regionen dieser Erde. Im Urlaub lieben wir sie und doch spricht der heute immer stärker werdende Nationalismus eine andere Sprache. Um so wichtiger ist die Musik, die Verbindungen schafft. Hier kommen drei Schätze auf Schallplatte, die sich aus verschiedenen Gründen lohnen.
Musik verbindet - das World Music Vinyl Special 2024
Ana Alcaide - La Cantiga Del Fuego (2 LP, 150g Vinyl)
Dieses Album der spanische Musikerin Ana Alcaide erschien als Vinyl-Ausgabe bereits 2021 und als CD bereits 2012, warum ist sie also Teil einer Vinyl-Special 2024? Nun, ganz einfach: im Sommer 2024 gab sie gleich zwei umjubelte Konzerte beim Bardentreffen in Nürnberg, wo wir unter den begeisterten Zuschauern waren. Natürlich musste ich mir unbedingt ihre leider einzige Schallplatte via Direktversand aus Spanien besorgen: "La Cantiga Del Fuego". Und was soll ich sagen, sie ist in jeder Hinsicht erstklassig!
Zunächst zu Ana Alcaide: die in Madrid geborene Musikerin lebt heute in der wunderbaren Stadt Toledo, welche sie alleine durch die vielschichtige Historie (Einflüsse von den Römern, den Mauren und Westgoten) in ihrer musikalischen Entwicklung geprägt hat. Sie lebte zeitweise in Schweden, wo sie das Instrument Nyckelharpa erlernt hat und es seither als zentrales Element ihrer Musik verwendet. Auf den beiden LPs von "La Cantiga Del Fuego" spielt sie auch die Moraharpa (ein historischer Vorläufer der Nyckelharpa), eine Violine und eine Keltische Harfe. Begleitet eine ganzen Reihe an Musikern, jeweils an akustischen Instrumenten wie Laute, Zither, Oud, Gitarren, Sitar, Mandoline, Banjo, Klarinette und Percussion. Manche Lieder sind rein instrumental, andere mit Gesang - neben Ana ist hier Reza Shayesteh zu erwähnen, dessen warme Stimme in dem melancholischen "Mikdash" den Hörer zu verzaubern weiß.
Das, was mich musikalisch hier erwartete, ist einfach nur Gänsehaut pur. Spontan erinnerte mich das an die irische Formation Clannad sowie die kanadische Spezialistin an der Harfe - Loreena McKennitt. Mit letzterer trat Ana Alcaide bei dem Konzert in der Royal Albert Hall auf, wovon es auch eine Vinyl-Version gibt. Die 12 Stücke bieten eine bezaubernde Reise durch viele unterschiedliche Kulturen, von arabischen Einflüssen über die sehr dominante Sephardische Musik bis hin zu dem, was man landläufig als keltische Folklore bezeichnet. Durch die vielen verschiedenen Instrumenten variieren die Songs in ihren kulturellen Einflüssen und genau das macht den besonderen Reiz dieses Albums aus.
Mit "La Cantiga del Fuego" bekam Ana Alcaide internationale Anerkennung, die Platte hielt sich fünf Monate lang in den World Music Charts Europe und wurde von der Fachkritik als eines der besten Alben des Jahres 2012 bezeichnet. Dem schließe ich mich uneingeschränkt an, zumal das klangliche Niveau sehr hoch ist und auch die Fertigungsqualität der beiden Schallplatten gelungen ist. Gegenüber der CD sind drei Bonustracks enthalten, darunter ein Livemitschnitt, 2016 eingespielt in Bilbao.
Das Klappcover enthält ein Beiblatt mit den Songtexten.
Eigenverlag, SQ1255030
Maria João / André Mehmari - Algodão (LP, White Vinyl)
Die Brücke zwischen Portugal und Brasilien war für Maria João und André Mehmari offensichtlich nur ein kleiner Schritt. Die LP "Algodão" (Baumwolle) ist ein schönes Beispiel dafür, dass Entfernungen keine Rolle spielen, wenn Musiker miteinander harmonieren. Allerdings sind die kulturellen wie auch musikalischen Unterschiede der Beiden nicht wirklich groß.
Über Maria João muss man eigentlich nicht mehr viel sagen. Die portugiesischen Jazz-Sängerin hat nicht nur selbst viele Platten veröffentlicht, sondern auch mit vielen internationalen Stars zusammengearbeitet: Aki Takase, Manu Katché, Bobby McFerrin, Egberto Gismonti, Niels-Henning Ørsted Pedersen, Gilberto Gil, Joe Zawinul, Trilok Gurtu, Ralph Towner und Bobo Stenson. Ihre aussergewöhnlichen stimmlichen Fähigkeiten sorgten in der Jazzwelt für große Beachtung, stilistisch bewegte sie sich zwischen Jazz, Avantgarde und auch moderne Electronica.
Der 47-jährige brasilianische Pianist André Mehmari ist hierzulande eher nur Fachleuten bekannt, dabei hat er eine wahrlich lange Liste an Veröffentlichung, angefangen mit "Eldorado" (1998). Mehmari ist sowohl in der populären Musik als auch im Jazz und Klassik zuhause, wobei er bereits zweimal für den Latin Grammy nominiert wurde. Auch als Produzent trat er sehr erfolgreich in Erscheinung, aus seiner Feder stammt Ballettmusik sowie Soundtracks für Dokumentarfilme, Serien und Spielfilme.
Entstanden ist das Album 7.-9. August 2023 im Estudio Monteverdi, dem eigenen Tonstudio von André Mehmari, mitten im Regenwald nördlich von Sao Paulo in Brasilien. Der Zauber der Umgebung scheint Einfluss auf die neun Stücke der LP gehabt zu haben: immer wieder wirken die Stimmen (man hört auch André Mehmari) sehr exotisch geheimnisvoll und spannend zugleich, Naturgeräusche werden imitiert. Ganz nebenbei klingt die Schallplatte auch ausgezeichnet, die Pressqualität ist ebenfalls prima.
Bereits die erste Nummer "Duplo Falso Par" präsentiert die stimmliche Akrobatik und zugleich einfühlsame Melodik in Joãos Gesang. Mehmari spielt am Steinway-Piano und im Hintergrund ist dezent ein Synthesizer zu hören. Im anschließenden "Festa dos Pássaros" wechselte er zwischen Piano und Marimba, was diesem Song auch durch den gewählten Rhythmus einen afrikanischen Charakter verleiht - habe ich da meine Füße beim mitwippen ertappt? Überhaupt ist Mehmari recht variantenreich in seiner Instrumentierung, neben dem akustischen und elektrischen Piano verwendet er auch Cembalo, Clavinet, Gitarre, Schlagzeug und Perkussion. Alleine diese Vielfalt und der damit verbunden ganz unterschiedlichen Klänge sind auch die Songs sehr variantenreich.
Ich würde diese LP keineswegs stilistisch einordnen wollen, denn dazu sind diese beiden Künstler zu individuell. Da sind sanft dahingleitende Nummern dabei, die dennoch raffinierte Wendungen offenbaren. Das Duo kann auch rhythmisch agieren und andererseits weisen einige Tracks auch kammermusikalische Züge auf, Weltmusik kann hier als global angesehen werden. João Stimme erinnert ein wenig an Kate Bush, ohne jedoch deren gewaltigen Stimmumfang zu besitzen. Sie ist eher die Elfe und da passt der Regenwald ja irgendwie auch wieder dazu.
LP mit weißem Vinyl, inklusive Beiblatt und Download-Code.
Galileo Music Communication, Best-Nr. GMC111
Carmen Souza - Port’Inglês (LP, Vinyl)
Geboren und aufgewachsen in der Hafenstadt Lissabon, verwandtschaftliche Wurzeln zu den Kapverden - Carmen Souza ist eine Jazzsängerin, die sehnsüchtige Träume für fremde Welten kennt. So ist ihre Schallplatte "Port’Inglês" (englischer Hafen) ein weitläufiger Blick auf die Geschichte und der Kultur der kapverdischen Inseln.
Dieser Blick ist nicht nur äusserst sympathisch und zugänglich gestaltet, er ermöglicht uns zugleich die verschiedenen Rhythmen und musikalischen Elemente dieser ehemaligen portugiesischen Kolonie kennenzulernen (Mazurka, Funaná, Morna, Batuku, Contradança). Die Geschichten von Carmen Souza erzählen von Charles Darwin, den negativen Einflüssen der Kolonialisierung, sie erwähnen die Sicht der Kapverden auf Francis Drake und viele persönliche Erinnerungen an ihre Kindheit. Dazu gehört auch eine eher witzige Anekdote über große Töpfe zur Aufbewahrung von Wasser, dort genannt "Moringue". Souza beleuchtet zudem auch die geschichtliche Verbindungen von Kap Verde und dem Vereinigten Königreich.
Diese verschiedenen Musikrichtungen haben diverse Ursprünge aus Portugal und Afrika. So z.B. Morna: der Stil wird häufig aufgrund der Melancholie mit dem portugiesischen Fado verglichen, in dem Stück "Cais D'Port Inglês" klingt es für mich wie eine kubanische Ballade. Und damit wäre der Faktor Weltmusik erkennbar. Traditionen verschiedener Länder und Kulturen überlappen oder ähneln sich, Rhythmen haben die gleichen Ursprünge. Allerdings ist auch Jazz mit dabei, so etwa der Song "Pamodi", bei dem sich Carmen Souza von Miles Davis und Charlie Parker inspirieren ließ.
Insgesamt darf man feststellen, dass es Souza und dem Produzenten Theo Pascal gelungen ist, die Grenzen zwischen den kulturspezifischen Musikstilen verschwimmen zu lassen. Natürlich wird das Ganze von der warmen und angenehmen Stimme Carmen Souzas getragen, ganz im Stile der großen
Jazz-Diven von einst. Die hervorragend agierende Begleitband mit Musikern aus Portugal und Großbritannien ist mit ihren akustischen Instrumenten wie Piano, Trompete, Flöte und Schlagzeug mehr als nur Begleitung, was auch dank der guten klanglichen Qualität für schöne Effekte sorgt.
LP inklusive Beiblatt mit Songtexten und Infos plus Download-Code.
Galileo Music Communication, Best-Nr. GMC108
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