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Mensch-Roboter - nicht zuletzt seit Kraftwerk zieht dieses Thema viele Musikfreunde an. „Ghost Notes“ gibt diesen alten Experimenten einen bedeutenden Schub in eine Richtung, die immer neue Facetten eröffnet. Wie einst in Mary Shelleys Frankenstein-Schauergeschichte lebt hier in „Ghost Notes“ ein geisterhafter Roboter-Schlagzeuger auf, seine Schöpfer heißen John Matthias und Jay Auborn. Mehr dazu in der Review zur leider auf nur 250 Stück limitierten Vinyl.

 

Matthias | Auborn - Ghost Notes (LP, Coloured Vinyl)

Matthias Auborn Ghost notes Vinyl 2023Die Verbindung von akustisch und digital erzeugten Klangwelten ist ein alter Hut, sie hat ihre Wurzeln und erste Experimente mit elektromechanischen Apparaten im späten 19. Jahrhundert (Dynamophon). Über 100 Jahre später hebt die Digitaltechnik die Entwicklung auf die nächste Stufe. Daran arbeitete auch Komponist, Geiger und Physiker John Matthias, der im Bereich Neuronale Musik-Technologie forschte und Kollaborationen u.a. mit Radiohead, Matthew Herbert und Coldcut hatte. Seine Cooperation mit Sound-Künstler Jay Auborn brachte nun ein Werk hervor, bei dem ein Ghost-Drummer die Schnittstelle zwischen digitaler Technik und akustischen Instrumenten bildete.

 

Ein Geister-Drummer ist auferstanden

Wir kennen alle die Szene aus dem 1931er Horrorfilm Frankenstein, in dem ein lebloser Körper zum Leben erweckt wird. So ähnlich dürfte es in übertragener Form im Studio gewesen sein, als John Matthias und Jay Auborn mit einer Installation experimentierten, aus der schließlich ein Geister-Drummer entstand. Was ist damit gemeint?

 

Ghost DrummerFoto: Der Geister-Schlagzeuger

Die Aufgabe, wie ein menschlicher Schlagzeuger mit Hilfe von Drumsticks und Fußpedale seine Trommeln und Becken anschlägt, übernehmen in dieser Installation von Magneten angetriebene Kolben (Stößel). Diese schlagen dann, wenn die Magneten von Spannung angeregt werden, beispielsweise auf ein Hi-Hat-Becken oder auf eine Trommel. Gefüttert werden diese magnetischen Hammer von Audiosignalen aus einem Computer. Das obige Foto zeigt die wirr erscheinende Konstruktion im Überblick, Unmengen an Kabeln und trotzdem ein verblüffendes Ergebnis: digitale Signale werden auf diesem Weg zu akustischen Klängen umgewandelt. Also statt Lautsprecher nun ein echtes Schlagzeug - nur eben nicht von einem Menschen gespielt.

 

Magnetischer Hammer auf BeckenFoto: Magnetischer Hammer in Großaufnahme auf ein Becken

Die menschlichen Protagonisten waren bei den acht Tracks dieser LP natürlich auch dabei, John Matthias und Jay Auborn sowie ein Streichquartett aus Bristol spielten an der Violine, einem Cello, Piano, Rhodes, Moog und auch einem Schlagzeug. Das Ergebnis ist eine Mixtur aus Elektroniksounds, kammermusikalischen Elementen und filmischen Gestaltungsprinzipien. Manchmal sind die Strukturen und Rhythmen komplex, vielschichtig bis experimentell, dann wieder fließen die Melodien entspannt, mit kineastischem Spannungsaufbau. Dass dabei der Computer bei seiner Arbeit am Ghost Drummer manchmal eigenwillige Interpretationen des von Matthias und Auborn vorgegebenen Sounds umging, macht gleichzeitig den Reiz dieser Einspielung aus, ähnlich wie bei einer Livesession mit Publikum und dessen Interaktion mit den Musikern.

 

Ghost note SessionFoto: die Ghost Notes-Session

Dieses faszinierende Erlebnis von improvisierten Mini-Elektronik-Symphonien wird allerdings leider nur einen recht kleinen Hörerkreis erreichen, denn die Vinyl wurde auf nur 250 Exemplare beschränkt, was wohl schon bald zu einer raren Exklusivität führen wird. Klanglich ist die Vinyl übrigens sehr ansprechend, interessant ist auch das Plattencover und die bedruckte Innenhülle: das Albumcover wurde von dem Künstler Stanley Donwood mit Hilfe einer Grünspan-Kupfertechnik erstellt, bei der die Originalzeichnung auf ein Kupferblech gedruckt wird und einem chemischen Verfallsprozess unterliegt.

 

Fakten

Veröffentlichung 7. April 2023
Label: Cognitive Shift
Bestell-Nummer: CSR008LP
Pressung:
Pressqualität*: 3-4
Inhalt: 140g Coloured Vinyl, Download Code
Besonderheit: Innenhülle bedruckt, LP auf 250 Stück limitiert und handnummeriert.
Aufnahmen: Momentum Studios in Devon, England & DBS Studio in Bristol, England

 

Besetzung

John Matthias - violin, rhodes, drums, percussions, vocals
Jay Auborn - cello, piano, drums, electronics, moog, vocals

Gäste
Bristol Ensemble - strings („No Parable“)
Ben Waghorn - saxophone („Lovelaced“)

 

Trackliste

Seite 1

1. Dive Into This
2. Long Time Dead
3. Auto Psalm Engine
4. Lovelaced

Seite 2

5. No Parable
6. A Silver Solenoid
7. Christmas At The Twisted Wheel
8. Vodka Coke

 

* Pressqualität 1-5:
1= starke Nebengeräusche, deutlich sichtbare Pressfehler
5= keinerlei Nebengeräusche, optisch perfekt