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Eine LP mit Verformung, nicht mehr zu reparieren.

Kaum etwas scheint die Vinyl-Fans heute mehr zu bewegen als die aktuelle Vinyl Pressqualität. Wie immer gibt es weit mehr Leute, die sich darüber beschweren als solche, die zufrieden ihre Schallplatten hören. Hinweise über zu enge Mittellöcher, verwellte LPs, schmutzige und schon verkratzte Oberflächen oder auch richtige Pressfehler erwecken den Eindruck, als könne kein Presswerk dieser Welt noch vernünftige Qualität liefern. Dass die Wahrheit doch etwas anders und irgendwie zwischen den Lagern zu finden ist, soll dieser Bericht Vinyl-Fan.de verdeutlichen.

Vinyl Pressqualität heute - Miserabel oder doch nicht ganz?

Eines sollte klar sein: das sauber und korrekte Abspielen einer Schallplatte ist von genauso vielen Faktoren abhängig wie deren Produktion. Ein ebenso wichtiger Baustein in der Kette ist allerdings der Mensch und darauf will ich mit den nachfolgenden, nicht ganz frei von Ironie, Szenarien eingehen und zum Schluss noch einmal kurz die technischen Hintergründe ansprechen.

 

Einer der Hauptgründe für diesen Beitrag

Wie immer im Leben meldet sich der Deutsche in der Öffentlichkeit nicht, wenn er zufrieden ist, sondern wenn er etwas zu meckern hat. Da wird er deutlich und dank der Anonymität kann er/sie sich auch so richtig auslassen. Für Beobachter in einem Forum entsteht dann unfreiwillig eine Sensibilität gegenüber neuen LPs und eine kritischere Betrachtung. Und im schlimmsten Fall wenden sich Interessierte dem Thema Vinyl lieber wieder ab, weil sie nicht all die Probleme erleben möchten. Und das kann es sicher nicht sein, daran kann keiner in der Analog-Szene interessiert sein.

 

Die unzähligen Szenerien in der deutschen Vinyl-Welt

Nur wie kommt es dazu, dass Millionen von Vinyl-Schallplatten verkauft werden und seit einigen Jahren ein regelrechter Boom entstand, die Kritiker der Qualität in dieser Zahl doch verschwindend gering sind? Ganz einfach: die Dunkelzahl der Plattenkäufer sind entweder zufrieden und freuen sich über ihre neuen Scheiben - und eine weitere sicherlich beträchtlich Menge an Leuten bemerkt zwar die Mängel, findet sich aber damit ab.

Um nun noch einmal zu beleuchten, wie Kritiken zustande kommen, hier mal einige (fiktive) Kunden-Typen:

Nr. 1: Der Pechvogel

Alter 30, Neueinsteiger. Hat bisher CD gehört und sich nun einen schicken Plattendreher der Marke X gekauft, die einfach stylisch prima ins Wohnzimmer passt und eine stolze Summe gekostet hat. Marke X ist in Kennerkreisen als Sensibelchen bekannt (was Herr Nr. 1 natürlich nicht weiß), der Hifi-Verkäufer aber lobte das gute Teil in höchsten Tönen und in der Presse bekommt der Dreher auch Bestnoten - alles bestens also!
Nun also muss der Stoff der Träume her, man kauft einfach mal 10 neue LPs. Die Musikrichtung, die er wählte, ist fest in den Händen der großen Plattenfirmen, also Industrie-Standard. So ganz zufällig stammen diese LPs aus zwei Presswerken, die (auch wieder in Kennerkreisen bekannt, nicht aber Herrn Nr. 1) nicht gerade berühmt sind für saubere Pressungen, vielmehr dafür, für einen billigen Preis Massenware zu produzieren.

Herr Nr. 1 freut sich über die Lieferung, packt die LPs aus und legt sie mit großer Spannung auf. Dann, es musste so kommen, lautes Knistern und Kracher stören jeden Musikgenuss! Ok, dann die nächste Platte: nein, wieder dasselbe Erlebnis - und siehe da, auch die anderen LPs befriedigen Herrn Nr. 1 gar nicht. Was tun?
Ok, ab ins Netz, das muss man kommunizieren und alle anderen Menschen warnen, wie schlecht heute Schallplatten produziert werden!

Nr. 2: Der Durchschnittshörer

Alter 40, kauft schon länger Vinyl. Er/Sie hat schon den dritten Plattenspieler, eine mittlerweile beachtliche Sammlung und entsprechende Erfahrung, dass es je nach Musikgenre ganz unterschiedliche Ergebnisse in der Qualität der LPs gibt und dieses bereits seit längerer Zeit. Ausserdem kauft er/sie auch mal audiophile Scheiben, die bei Presswerken mit höherer Qualität gefertigt werden. Auch da kennt er Ausreißer, ist aber im Großen und Ganzen zufrieden, widmet sich eher dem musikalischen Inhalt als dem Aufzählen der Fehler einer LP.

Nr. 3: Der Hippe

Alter 20: Neuling. Von seinen Freunden hat er/sie erfahren, wie cool Schallplatten sind, kauft sich den alten und entsprechend billigen Schallplattenspieler, legt sich aktuelle Scheiben zu, aber auch Second-Hand vom Flohmarkt. Ihm/ihr ist es völlig egal, ob die Platte wellig ist oder knistert, Hauptsache sie läuft! Voll krass, das geht ab! Nur her mit dem nächsten Stoff, das macht Laune. Der gute Mann / die gute Frau ist happy und voll zufrieden!

Nr. 4: Der Experte

Alter 50, besitzt 4 Laufwerke und eine gigantische Plattensammlung. Je nach Musik nutzt er/sie ein anderes Laufwerk, von denen eines natürlich auch Mono kann, das Andere eher für kleine Besetzungen im Jazz und Klassik geeignet ist und ein weiteres eher rockig dynamisch agieren kann. Er/sie weiß, dass Nadelschliffe, Auflagekraft und all die anderen Parameter in der Abtastung einen ganz erheblichen Einfluss darauf haben, wie eine LP klingt. Und ihm/ihr ist klar, dass es kaum eine LP auf der Welt gibt, die völlig ohne Nebengeräusche durchläuft, trotz Plattenwäsche und Top-Pressung. Im Gegenteil: für ihn gehört es einfach dazu, dass eine LP knistern kann. Und er ist stolz darauf, dass einer seiner Dreher selbst bei Platten mit Pressfehlern die Störgeräusche kaum wahrnimmt, weil sie bei der Wiedergabekette eher in den Hintergrund rücken.

 

So, das sind gerade mal vier Beispiele aus der Realität (auch wenn es hier fiktive Personen sind), die man beliebig in den einzelnen Faktoren und Typen tauschen kann. Die immer stärker wachsende Zahl ein Vinyl-Freunden wird die Vielfalt nur noch erweitern.

Was ich damit sagen will? Seid kritisch zu echten Pressfehlern, aber beleuchtet auch eure eigene Situation möglichst neutral und ohne Emotionen. Dieselbe LP wird von unterschiedlichen Leuten und auf verschiedenen Plattenspielern bzw. Abhör-Situationen ganz anders bewertet. Ich habe in meiner mittlerweile über 40 Jahre dauernden Karriere als Plattenkäufer, später gar Plattenhändler und heute nur noch Vinyl-Fan und Blogger unzählige Beispiele von Leuten, die mit einer vermeintlich defekten LP in den Laden kamen und beim gemeinsamen Probehören dann feststellen durften, dass nicht das Vinyl einen Fehler hatte, sondern dieser an anderen Stellen zu suchen war. Das führte uns zur Beleuchtung der Ursachen.

 

Welche möglichen Fehler gibt es bei Schallplatten?

1. Kratzer

Je nach Tiefe des Kratzers, der quer zur Rille (radial) verläuft, hört man ein regelmäßiges Knacken oder auch nicht. Denn nicht jeden Kratzer hört man.

 

2. Einschluss

Wenn im Vinyl Fremdkörper „eingebacken" wurden, so genannte „Pickel" oder auch Papierreste fest verbunden sind, so ist die LP nicht mehr zu retten. Aber auch hier gibt es Fälle von Einschlüssen, die man deutlich sieht und sogar mit dem Finger fühlen kann, aber dennoch nicht hören kann. Der Grund: dieser Einschluss befindet sich exakt auf dem Rillensteg und berührt nicht den Bereich der Rille, den die Nadel abtastet.

 

3. Verwellung / Verformung

Unter Verwellung spricht man dann, wenn die LP in sich verzogen ist, also eine Verspannung hat. Sie ist eher langgezogen und im Laufe einer Umdrehung nur 1-2 mal zu sehen. Eine Alternative ist die sogenannte „Schüssel" (also konkav/konvexe Verformung), die ebenfalls ihre Ursache in der Produktion hat.
Ist die LP noch einigermaßen neu (1-3 Jahre), lässt sich diese Verwellung / Verformung beheben, hierzu benötigt man allerdings ein professionelles Gerät.

Eine nicht behebbare Verwellung / Verformung ist die, welche durch Wärmeeinwirkung entstand. Also dann, wenn die LP zu hohen Temperaturen ausgesetzt war (Sonne, Heizung..).

 

4. Höhenschlag

Der Höhenschlag ist eine sehr kurze Welle in der LP oder eine tangentiale Verformung (siehe auch Titelbild oben). Eine solche LP ist irreparabel beschädigt. Eine etwas längere Welle kann mit einem professionellen Gerät durchaus beseitigt werden.

 

5. Seitenschlag

Die LP ist von oben gesehen nicht zentriert, was sich in einer Seitenbewegung des Tonarms zeigt. Die Folge kann bei entsprechenden Musikmaterial wie z.B. Piano, insbesondere aber langsam ausschwingenden Töne gleicher Frequenz zu Höhenschwankungen führen, das berühmte "eiern".

 

6. Silberne Punkte in der Rille

Diese silber-schimmernden Punkte entlang einer Rille sind kaum zu sehen und doch ganz gemein! Leider ist dieser Fertigungsfehler auch nicht durch die Plattenwäsche zu beseitigen. Sie äussern sich durch ein kurzes Kratzgeräusch.

 

7. Knistern

Knistern ist eines der am weitest verbreitetsten Fehler bei Schallplatten und hat ganz unterschiedliche Ursachen: Verschmutzung (Staub, Ablagerungen), diese lassen sich meist durch eine Plattenwäsche entfernen; Statische Ladung sorgen ebenfalls für Knistern, hierzu muss man am Plattenspieler Änderungen vornehmen (z.B. ein Erdungskabel anbringen oder anders anschließen) oder einen Mitlaufbesen installieren. In nicht zu seltenen Fällen kann auch eine zu geringe Auflagekraft des Tonabnehmers der Grund für erhebliches Knistern sein.

 

8. Label verklebt

Wenn das Label bei der Produktion leicht verrutscht aufgeklebt wurde, ist es unkritisch, so lange es nicht die Endrille oder noch weiter die Spielfläche überdeckt. Dann jedoch ist die LP nicht mehr zu retten.

 

9. Mittelloch falsch

Das Mittelloch kann falsch zentriert sein, zu groß oder zu klein geraten sein - dies geschieht bei der Plattenpressung. Ein zu kleines oder zu großes Loch kann aber auch eine Ursache bei dem Mitteldorn des Plattenspielers haben: trifft ein richtig gefertigtes Mittelloch auf einen zu dicken Dorn, bringt man die Platte nicht auf den Plattenteller und umgekehrt. Auch nicht gut, aber zumindest dann abspielbar: ein zu großes Loch, welches dann auf den Mitteldorn zu viel Spiel hat.

 

10. Bruch

Heute sehr selten: eine LP ist an- oder gar durchgebrochen.

 

11. Staubige Oberfläche

Kein Problem für die Plattenreinigung, teils reicht hier schon die Trockenreinigung mittels einer guten Plattenbürste. Kein gutes Zeugnis für den Hersteller!

 

12. Oberflächenkratzer

Man sieht sie, doch meist hört man davon nichts. Denn Oberflächenkratzer entstehen meist schon durch das Herausziehen der LP aus der Hülle. Sie befinden sich aufgrund der minimalen Tiefe lediglich auf den Mittelstegen zwischen den Rillen, reichen nicht in den Abtastbereich hinein und können deshalb nicht den Hörgenuss stören.

 

13. Falsche Seite/Inhalt

Manchmal werden die Label-Etiketten vertauscht und im schlechtesten Fall sogar falsch bedruckt (z.B. stimmt die Reihenfolge der Tracks nicht).

 

14. Einfärbungen bei Coloured Vinyl

Farbiges Vinyl ist nicht nur ein optischer Hingucker, sondern oft auch ein Indiz für eine limitierte Sonderauflage. Keinen klanglichen Einfluss haben die kleinen und tendenziell nicht gewollten Einfärbungen, etwa schwarze Flecken in einem ansonsten roten Vinyl. Meistens sind dies Reste des zuvor verwendeten Vinyl-Granulats, wenn die Maschinen auf eine andere Farbe umgestellt wurden.

 

15. Fingerabdrücke

Bei einer neuen LP definitiv ein Qualitätsmangel, der allerdings meist leicht durch eine Plattenreinigung zu entfernen ist. Ebenfalls ein Hinweis für schlechte Arbeit des Herstellers!

 

16. Oberflächen-Schatten

Insbesondere häufig bei US-Pressungen vorzufinden: Oberflächen-Schatten, die im Licht betrachtet wie Flecken aussehen. Man kann sie nicht durch eine Plattenwäsche entfernen, was allerdings auch nicht nötig ist, weil es akustisch keinen Einfluss nimmt.

 

Unterschiedliche Tonabnehmer, Tonarme und Laufwerks-Konstruktionen

Das ist ein weites Feld und sorgt dafür, dass engagierte Plattenliebhaber in ihrem Leben eine ganze Reihe von Plattenspielern und Kombinationen aus Tonabnehmer, Tonarme und Laufwerken ausprobiert bzw. besessen haben. Unterschiedliche Konstruktionen der jeweiligen Komponenten, verschiedene Designs der Hersteller und letztendlich (und das ist häufig das Allerwichtigste!) die korrekte Justage nach genauen geometrischen Vorgaben sind ein wesentlicher Teil für die Variablen, die zu den oben genannten Voraussetzungen in der Hörsituation führen.

So etwa darf man von einem Laufwerk mit Subchassis und leichtem 9" Tonarm andere Ergebnisse erwarten als von einem Masse-Laufwerk mit 12" Tonarm und einem TA mit 4-5 Nm Auflagekraft. So wird jeder Musikhörer seinen eigenen Favoriten haben, mitunter abhängig von seinen Hörgewohnheiten (Musikgeschmack, Laut/Leise, Hörraum etc.) und natürlich dem Geldbeutel.

 

So, das Ganze ist jetzt recht komplex gewesen. Wer nun Fragen hat oder eine Anmerkung machen möchte, kann dies hier gerne (in sachlicher Form) in einem Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! tun. Wer sich weiter zum Thema LPs waschen oder begradigen informieren möchte, kann unten einen Link von Vinylclean nutzen.

 

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