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Sivan Talmor Konzert in den Bauer Studios Ludwigsburg

Sivan Talmor - ein Unplugged Konzert | Der Bericht über eine Schallplattenaufnahme in den Bauer Studios

Ein Blick hinter die Kulissen. Wie läuft eine Aufnahmeproduktion ab, welche Technik wird verwendet? Wir von Vinyl-Fan.de hatten die wunderbare Gelegenheit, vom Beginn an dabei zu sein. Deshalb dürfen wir euch nun davon berichten, wie die israelische Sängerin Sivan Talmor mit ihren beiden 21-jährigen Begleiterinnen Rotem Frimer und Shelly Levy ein Unplugged Studio Konzert ihres neuen Albums „Fire" in den Bauer Studios einspielte.

 

Sivan Talmor - ein Unplugged Konzert live in den Bauer Studios

 

Bauer-Studio-Soundcheck

Freitag, 22.07.2016: Als wir etwas verspätet eintrafen, lief bereits der Soundcheck. Nach kurzer Akklimatisierung fiel mir gleich die entspannte und doch professionelle und konzentrierte Atmosphäre auf.

Jeder macht seinen Job ohne große Hektik. Mehrere junge Leute ergänzen das Team der langjährigen Mitarbeiter. Darunter ist Tonmeister Philipp Heck, der in 1-2 Jahren die Nachfolge von Eva Bauer-Oppelland antritt, sie wird dann in den wohlverdienten Ruhestand gehen.

Ich blicke und höre mich um: der Saal hat eine großartige Akustik: Bauer-Studio-Raummikrofonnicht zu stark bedämpft, Unterhaltungen sind gut zu verstehen. Und trotz des ca. 7m hohen und rund 180qm großen Raumes ist kein Hall zu hören. Die Decke ist stufenartig aufgebaut, ebenso die Wände. Es gibt keine parallelen Flächen, was sehr wichtig ist, damit es keine stehenden Wellen gibt. Die Luftfeuchtigkeit liegt bei 63% (sie soll nicht unter 40% kommen), die Raumtemperatur beträgt 25°C (immerhin steht da unter anderem ein Steinway Flügel aus dem Jahre 1927) - auch darauf hat man ein Auge.
Ich wiederum erspähe auf einem hohen Ständer im hinteren Teil des Saals das Raummikrofon. Laut Philipp hat es hier ca. 30% Anteil (anders als bei Klassik, wo man eher 60% erreicht), ansonsten verwendet man direkte Mikrofone verschiedener Hersteller.

Bauer-Studio-SaalDer Saal hat ca. 80 Sitzplätze und wie ich dann am Abend feststellen durfte, waren sie auch restlos besetzt. Dahinter befindet sich der Regieraum, in dem die Fäden zusammenlaufen - das Spielfeld der Tonmeister, von denen insgesamt sechs bei den Bauer Studios beschäftigt sind. Zu diesem Raum komme ich später noch, jetzt aber erst einmal über die Historie des Bauer Studios.

 

Bauer Studios - eine lange Geschichte

Das Unternehmen wurde vom Vater Rolf Bauer 1949 gegründet und ist damit das älteste noch in Betrieb befindliche, private Tonstudio in Deutschland.

Das heutige Tonstudio war ehemals ein Vorstadt-Kino, das Konzept und die Planung des Umbaus übernahm Rolf Bauer selbst. Das Ergebnis ist bis heute erstaunlich, da es sich nicht von einer professionellen Umsetzung unterscheidet. Die besondere Akustik ist bis heute ein entscheidendes Merkmal und Kriterium für internationale wie auch nationale Stars, hier ihre Schallplatten-Aufnahmen zu machen. Darunter sind Leute wie Charlie Mariano, Klaus Doldinger, Wolfgang Dauner, ECM-Stars wie Keith Jarrett, Chick Corea oder Eberhard Weber, Act Musiker wie Michael Wollny oder Nils Landgren, bedeutende Künstler wie Paquito D'Rivera, Peter Erskine, Till Brönner oder Paul Motian. Die Wände in den Gängen zwischen den verschiedenen Räumen sind voller Bilder aus den vergangenen Jahrzehnten, eine wahre Ahnengalerie!

Wichtig ist Eva Bauer-Opperlland jedoch, dass das Studio nicht nur Profis, sondern auch Amateuren offen steht. Für mich ein Indiz dafür, dass man in Ludwigsburg nicht die Bodenhaftung verloren hat und sich immer noch der Kunst verbunden fühlt.

Man versteht sich als kompletter Dienstleister, der dem Musiker quasi ein fertiges Paket liefert. Wer schlau ist, spart damit tatsächlich den Aufwand, sich um alles selbst zu kümmern - von der GEMA bis zur Gestaltung des Plattencovers. Stattdessen kann er lieber den einen oder anderen Gig spielen und damit Geld verdienen - so Eva Bauer-Oppelland, der ich an dieser Stelle nur beipflichten kann.

Der musikalische Schwerpunkt ist die akustische Klangerzeugung; Bläser, Kammermusik, seit Ende 60er / Anfang 70er kam der Jazz dazu, allerdings findet sich so gut wie kein Pop im Aufnahme-Portfolio. Früher war die Programmmusik für Rundfunksender ein wichtiger Baustein und bis heute nehmen auch Sprachaufnahmen einen bedeutenden Teil der Arbeit ein. Meist genügen ein bis vier Tage Studiozeit, bis die Platte fertig ist. Live-Aufnahmen (z.B. für die Studio Konzert Reihe) gehen meist mit einem oder zwei Takes, da ist an einem Abend alles im Kasten!

Für die Vinyl Schallplatten lässt man den Folienschnitt bei SST fertigen, die Pressung entsteht in der Regel bei Pallas. An dieser Stelle darf man nicht unerwähnt lassen, dass der Schwerpunkt der täglichen Arbeit in den Bauer Studios digitale Aufnahmen sind. Doch nicht nur wir Vinyl-Fans werden es zu schätzen wissen, dass bei der LP-Einspielung eine echte AAA-Produktion möglich ist, das Equipment hierfür ist vom Feinsten, wovon ich mich vor Ort überzeugen konnte!

Übrigens gibt es auch Aussenproduktionen, aktuell waren Tonmeister in Italien und Stuttgart unterwegs. Eines der berühmtesten Termine war das legendäre „Köln Konzert" von Keith Jarrett!

 

Der Ablauf einer Aufnahme

Bauer-Studio-TonbandEs beginnt im wesentlichen mit dem Soundcheck der Musiker, der die Mikrofon-Positionen und den gesamten Line-Check beinhaltet.

Die Pegel für Instrumente und Stimmen werden festgelegt und im Laufe der Proben immer wieder angepasst. Für Aussenstehende wie mich mutet die Arbeit des Tonmeisters wie ein magisches Wandeln über tausende von Knöpfen und Reglern des riesigen Mischpultes an - faszinierend! Philipp erklärt mir, dass dieses Konzert rein analog entsteht, auch wenn im Soundcheck erstmal digitale Elemente verwendet werden. Dies aber wird nur benötigt, um die genauen Werte festzulegen. Wenn es dann ernst wird, läuft alles über analoge Kanäle direkt in die Bandmaschine, einer Studer A820.

Im Regieraum befinden sich ProAc Nahfeld-Monitore und Genelec Lautsprecher, neben dem Mischpult auch viele weitere Geräte - Philipp und seine Kollegen sind hier Herr unzähliger Maschinen und Kabel! Für die Aufnahmen lagen bereits fünf Pyral Tonbänder bereit, mit jeweils ca. 30 min Spieldauer.

 

Zurück zum Soundcheck und dem Ablauf des Geschehens.

Die ersten Proben endeten so gegen 13:30 Uhr, die Musiker machten erst mal Pause. Auch wir gönnten uns ein Essen (Pizza!) und kamen wieder zurück an den Ort des Geschehens. Die drei Künstlerinnen standen wieder an den Mikrofonen, im Regieraum suchte Philipp nach der perfekten Einstellung.

Die Musikerinnen kamen gegen 16:45Bauer-Studio-Soundcheck-Test in den Regieraum, um erstmals die Probeaufnahmen anzuhören. Insbesondere Sivan Talmor war nicht so ganz zufrieden, es klang für die Israelin nicht so, wie sie sich das vorstellte. Vielleicht war sie von dem klaren Klang über das Abhör-Equipment überrascht, der ihr hier begegnete? Die eigene Stimme schien ihr zu laut und direkt, als müsse sie später leiser singen. Der Tonmeister nahm sich dem Problem an.

Man muss sich im Klaren sein, dass hier die Vorbereitungen für einen einmaligen Augenblick stattfinden - einer Schallplatten-Aufnahme mit Publikum. Was an diesem Abend aufgenommen wird, hört man später auf der Platte - alles muss sitzen. Insbesondere für die Musikerinnen. Alle Anwesenden empfanden den Klang im Saal bei der Aufnahme als sehr viel angenehmer und perfekter als im Regieraum, es war also auch eine Frage der Raumakustik.

Man entschied sich, ein anderes Mikrofon für die Stimme zu nehmen. Mit einigen Änderungen fand man schließlich zusammen mit den Künstlern den Sound, der alle zufrieden stellte. Ein weiteres Stück wurde geprobt. Mit dem Ergebnis waren die Drei deutlich mehr zufrieden. Der nächste Track kam ohne Gitarre von Sivan, die Fuss-Glocken rückten nun etwas in den Vordergrund, ebenso eine fette Computer-Drum-Linie. Auch das musste sitzen, was nicht einfach war, wie ich an der Reaktion von Philipp und Aaron (einem Assistenten aus Berlin) erkennen konnte.

Inzwischen traf auch eine Mitarbeiterin vom SWR ein, um Material für einen Betrag über die Studio Konzert Reihe zu sammeln, u.a. auch Interviews mit dem Tonmeister und den anderen Verantwortlichen. Ein Indiz für die Bedeutung dieser Aufnahme von Sivan Talmor, aber auch für die Vinyl-Reihe bei den Bauer Studios.

Bauer-Studio-Phillip-HeckMittlerweile zeigt der Uhrzeiger Richtung 18 Uhr, noch zwei Stunden bis Konzertbeginn und damit für den Start der Tonbänder - ein dezenter Anstieg der Nervosität ist zu erkennen - nicht aber bei den Beschäftigten der Bauer Studios. Das ist Routine! Die Proben waren nun zu Ende, Sivan schrieb noch die Setliste per Hand auf und erfuhr an dieser Stelle, dass eine Pause geplant war, um Luft in den Saal (der keine Klimaanlage besitzt!) zu bekommen. Und sie erfuhr, dass es Unterbrechungen zum Wechseln der Bänder gibt. Das sollte spannend werden.

 

 

Das Konzert Sivan Talmor & Band

Sivan Talmor Konzert 2

 

Eine kurze Ansprache von Eva Bauer-Oppelland und anschließend einige Erläuterungen von Philipp Heck läuteten den Abend ein. Die vollen Stuhlreihen, alle 80 Plätze sind besetzt, signalisieren das große Interesse und die Vorfreude des Publikums.

Beginn 20:04: Die Lichter gehen aus, mit „First Step" verzaubert eine feine Midtemppo-Nummer Sivan Talmor Konzert 4die Zuhörer bereits zum Beginn dieses Abends. Sivan Talmor spielt akustische Gitarre und macht mit ihrer weichen und ausdrucksstarken Stimme deutlich, dass sie die Voraussetzungen mitbringt, den europäischen Markt zu erobern. Dies kann man sehr schön an der Balladen „Words" und „I'll Be" nachvollziehen. In „Hide & Seek" kommt eine E-Gitarre zum Einsatz, eine rauere und leicht düstere Grundstimmung, aber auch ein cooler Groove macht einen minimalen Richtungswechsel erkennbar. Den setzt „If Only" fort (ein Falschstart sorgte für einen kurzen Aussetzer und Neubeginn der Musiker), diesmal mit dem grummelnden E-Bass, der über den Computer von Shelly Levy kommt. „Everybody's Gotta Learn" - eine berühmte Ballade von James Warren und von The Korgis erstmals weltweit bekannt gemacht - ist ein intensives Stück, der Gesang kommt richtig stark. Danach ist erstmal Pause. Die ersten sechs Stücke sind recht kurz und passen tatsächlich auf das erste Tonband.

Nach der Pause folgt mit „Funny Valentine" eine weltberühmte Komposition, die Sivan Talmor sehr gefühlvoll interpretiert. Mit einem wunderbaren Walzer bringt die Israelin das Publikum endgültig auf ihre Seite: „Circles" ist eine beeindruckende Demonstration ihres Stimmumfanges, allerdings auch eine starke Performance der Westerngitarre von Rotem Frimer sowie einem hinreissenden dreistimmigen Gesang. Auch bei „Fire" - dem Titelsong der kommenden LP - hören wir alle drei Musikerinnen im Trio, was für ein bezaubernder Opus! „No Matter" ist eine entspannte Nummer zum Träumen und sich Zurücklehnen. Erstaunlicherweise war dies zugleich das letzte Stück im offiziellen Programm. Trotz dem stimmungsmäßigen Herunterfahren seitens der Musiker brandete anhaltender ehrlicher Applaus der Zuhörer auf, die sichtlich angetan waren.

Nach kurzer Wartezeit kam das Trio wieder auf die Bühne und bedankte sich sowohl bei den Verantwortlichen ihres Teams und den Bauer Studios sowie natürlich dem Publikum. Die Zugaben „Young Believers" (danach wurde Band Nummer 3 Bauer-Studio-Sivan Talmor Konzerteingelegt) und „Take It With Me" begeisterten alle anwesenden. Insbesondere „Take It With Me" sorgte als Solo von Sivan Talmor für besondere Heiterkeit: zuerst fing die Musikerin zu früh an, bevor das neue Band startete und dann brach sie auch Take 2 ab, weil sie den Text verloren hat. Die Aufregung von Sivan fand an dieser Stelle ihren Höhepunkt, denn nun ging gar nichts mehr - das Konzert war zu Ende. Sie entschuldigte sich beim Publikum, welches sie trotzdem mit einem warmen Applaus verabschiedete. Aus meiner Sicht völlig verdient!

 

Setlist

1. First Step 4.00
2. Words 3:00
3. I'll Be 3:00
4. Hide & Seek 3:20
5. If Only 3:48
6. Everybody's Gotta Learn 4:10

Pause

7. Funny Valentine 3:30
8. Circles 4:20
9. Fire 4:40
10. No Matter 5:00
11. Young Believers* 3:57
12. Take It With Me* 2:30

*Zugaben

 

Besetzung

Sivan Talmor - acoustic & electric guitar, vocals
Rotem Frimer - electric guitar
Shelly Levy - computer, keyboards


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