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Eine Musikerin schaffte die perfekte Transformation einer Live-Einspielung zur fertigen Schallplatte

Es gibt sie noch, zwischen all den lauten und von der Musikindustrie grell beleuchteten Pop-Produktionen. Ich meine jene Platten, die einem das Gefühl geben, etwas Besonderes zu hören. Im Falle der englischen Singer/Songwriterin Reema und ihrer LP „The LowSwing Sessions" gilt das sogar in mehrfacher Hinsicht. Mehr dazu in dieser Review, die nur einen Schluss zulässt.

 

Reema - The LowSwing Sessions (LP, 45rpm Vinyl)

Wer von Stimmen wie der von Lana Del Rey oder Anna Calvi nicht genug bekommen kann, sollte sich den Namen Reema merken. Denn so oft erlebt man es nicht, dass man Gänsehaut bekommt, sobald der Gesang einsetzt. Bei dieser LP ist so! Reemas Organ kann dunkel und düster klingen, aber sich auch sanft und elfenhaft in die Höhen schwingen. Diese Wandlungsfähigkeit ist eines der herausragenden Elemente, denen wir bei den „The LowSwing Sessions" begegnen. Da sind allerdings auch andere, die ich erst verstand, als mir die Musikerin einige Infos zur Entstehung der Platte gab.

 

„The LowSwing Sessions" - das Ergebnis einer Live-Transformation

Reema-The LowSwing Sessions VinylUnbestritten gehört ein Live-Konzert zu den ultimativen Erlebnissen, Musiker in ihrer ganzen Qualität wahrnehmen zu können. Ich spreche von dem Feeling, welches sich mit den Sinnen Hören und Sehen verbindet, vielleicht auch mit Gerüchen und einfach allen Eindrücken bis hin zu dem manchmal auch intensiven Spüren von Lautstärke-Pegeln (z.B. der Bass in der Magengrube). Selbst über die perfektesten Hifi-Anlagen lässt sich die Fülle an Emotionen nur begrenzt wiedergeben. Dabei ist es wichtig, dass schon die Aufnahme die Voraussetzungen bietet, möglichst viele Segmente einer Livedarbietung zu vermitteln.

Reema hat sich im Vorfeld zusammen mit dem Produzenten Guy Sternberg, Inhaber des LowSwing Studios, Gedanken gemacht, wie der Klang und eben die verschiedenen Empfindungen einer Live-Performance auf Platte zu bringen sind. Auf Seiten des Studios war eines recht einfach und klar: hier gibt es feinste Analogtechnik und alle Voraussetzungen für eine reine AAA-Produktion. Kein Computer und irgendwelches Digitalequipment stört die empfindlichen Signale, die den langen Weg vom sorgfältig ausgewählten Mikrofon bis hin zur fertigen Vinyl-Schallplatte beschreiten.

Dann war da noch etwas anderes. Etwas, das den Werdegang eines Songs betrifft. Reema schickte ein Demo mit Songs zu Guy, der seine eigenen Ideen und Vorstellungen hinzufügte. Mit Midi Mock-ups entstanden so Arrangement-Entwürfe, die auch Reema begeisterten. Hier ein Bass dazu, dort eine Orgel-Spur, schon gibt es völlig neue Ansätze, neue Harmonien, die einem Song einen faszinierenden Reiz verleihen. So passiert dies bei vielen, vermutlich bei den meisten Produktionen - doch nicht immer entsprechen die Ergebnisse dem gleichen Niveau, das beispielsweise diese Einspielung erreichte.

Reema und Guy Sternberg im Studio

 

Als man schließlich im Mai 2016 im LowSwing Studio zur ersten von insgesamt drei Sessions zusammenfand, standen sich insgesamt 14 Musiker gegenüber, die mitunter erst an diesen Tag zum ersten Mal mit den Noten konfrontiert wurden, die sie schließlich spielen sollten. Ohne Dirigent oder musikalischen Leiter saßen da also Streicher und Bläser, widmeten sich den Ideen, die Reema und Guy Sternberg zusammengetragen haben. Es war ein großes Experiment. Anderseits, für Musiker, die ihren Job verstehen, ist es nur eine Frage der Konzentration und des Willens, sich darauf einzulassen. Und so entstanden an diesen Tagen Aufnahmen, welche die Summe des einfühlsamen Miteinander und der spieltechnischen Fähigkeiten aller Mitwirkenden darstellte. Es wurde großartig - es entstanden magische Momente, an deren Ende die Protagonisten erleichtert ihrer Freude freien Lauf ließen. Man war begeistert über das Erreichte!

Reema LowSwing Studio

 

Die sechs Songs sind allesamt mit langsamen Tempi gespielt. Oft hören wir nur Reemas wunderschöne Stimme und eine Gitarre, dezent von einem oder zwei Instrumenten begleitet. Dann wieder kommt das gesamte Ensemble zum Einsatz, ohne dabei all zu laut zu werden. Das Ganze ist sehr stilvoll arrangiert, mitunter durch eine dunkel-düstere Atmosphäre spannend in Szene gesetzt. Daraus resultierten anspruchsvolle Popsongs, andere wiederum haben eine deutliche Neigung zur Folk Music. Bereits der erste Track „Night" ist bereits ein aufregender, kineastischer Breitwand-Opus - mit schleppenden Schlagzeug, einer geheimnisvollen Trompete, dunklen Bassklarinetten und manch anderen Zutaten, welcher einer nächtlichen Stimmung mehr als gerecht wird. In der nächsten Nummer „Silence" geht es weit schlichter zu, trotzdem lauscht man gespannt auf jede Note, da immer wieder andere Instrumente dezent auftauchen und wieder verschwinden - sehr betörend! So erleben wir bei dieser Platte jede einzelne Komposition in einem eigenen, variierenden Licht. Obwohl der Charakter der Platte immer beibehalten wird - bis zur letzten Note. Ein sehr einfaches und gerade deshalb so schönes Lied ist für mich „Killer" - hier erinnert mich Reema an die wunderbare Tracy Chapman, deren Musik ich sehr verehre.

Sie hat einen ganz großen Mangel, leider - die Spielzeit der Platte beträgt gerade mal 24:38 Minuten! „The LowSwing Sessions" könnte, ja müsste eigentlich doppelt so lange dauern, denn solch großartige Songs kann man immer wieder und wieder hören. Die Transformation einer Live-Einspielung zur fertigen Schallplatte ist traumhaft gut gelungen, eine perfekte Illusion. Dazu trägt der exzellente Analog-Klang und auch die gelungene Pressqualität bei - ein selten zu erlebender Genuss!

 

PS.: Am 20. Oktober 2017 findet im Prachtwerk, Berlin ein Release Konzert statt, das ich euch sehr empfehlen kann.

 

Fakten

Erstveröffentlichung: 20. Oktober 2017
Label: LowSwing Records
Bestell-Nummer: LOSW002
Pressung: optimal media
Inhalt: 140g Vinyl, bedruckte Innenhülle
Besonderheit: 45rpm, rein analog produziert

 

Besetzung

Reema - vocals, acoustic & electric guitar
Johannes Feige - electric guitar
Dominik Petzold - piano, wurlitzer piano
Guy Sternberg - hammond organ
Martin Auer, Tillmann Stralka, Steffen Zimmer- trumpets
Baron Arnold, Nils Marquardt - trombone
Stefan Baumann - bass clarinet
James Scanell - clarinet, bass clarinet
Anna Buck, Laura Daedelow, Federico Dalprá, Nico Lengauer - flutes
Tomer Moked-Blum - viola
Liron Yariv - cello
Paul B. Keeves - bass guitar
Sebastian Vogel - drums

Aufnahmen Mai 2016 & April 2017 im LowSwing Studio in Berlin

 

Trackliste

Seite 1

1. Night
2. Silence
3. Killer

Seite 2

4. Four Letter Words
5. Down
6. What The Whisper Said

 

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